So will ich schweigen
und Duncan behandelte er wie Luft. Erst als er einen Schritt vortrat und dabei bedenklich schwankte, fiel Gemma auf, dass er betrunken war. Er versuchte die Situation zu überspielen, indem er sich betont lässig mit einer Hand an der Wand abstützte.
Juliet erwiderte den finsteren Blick und ging gleich in die Offensive. »Wo warst du?«
»Im Bowling Green.« Caspar gab sich keine Mühe, seine Stimme zu dämpfen. »Wollte mich ein bisschen in Weihnachtsstimmung bringen, wenn schon zu Hause nichts davon zu spüren ist – nicht wahr, mein geliebtes Weib? Ich könnte dir übrigens dieselbe Frage stellen, aber wenigstens weiß ich, dass du deine Gunst nicht meinem Partner geschenkt hast, weil er nämlich mit mir im Büro war. Aber vielleicht hast du dich ja ein bisschen mit einem von deinen strammen Gesellen im Heu gewälzt, hm? Oder muss man heutzutage ›Mitarbeiter‹ sagen?« Er grinste – offenbar fand er seine Bemerkung sehr originell.
»Du Schwein«, sagte Juliet ruhig. »Hat dir das vielleicht auch dein Piers eingeflüstert, bei einem vertraulichen Gespräch in der Kneipe? Oder hast du dir das selbst ausgedacht?«
Aus dem Augenwinkel nahm Gemma eine Bewegung am
oberen Treppenabsatz wahr. Sie blickte auf und sah gerade noch eine ausgetretene Turnschuhsohle und ein Stück ausgefranste Jeans um die Ecke verschwinden. Lally. Ihre modisch zerfetzten Hosenaufschläge waren Gemma schon vorher aufgefallen. Sie wollte Juliet warnen, doch diese redete schon wieder auf ihren Mann ein und war so auf ihn fixiert, dass das Haus um sie herum hätte einstürzen können, ohne dass sie es bemerkt hätte.
»Du bist ein leichtgläubiger Idiot, Caspar,« sagte Juliet, die jetzt ebenfalls die Stimme erhoben hatte. »Aber was immer du von mir hältst und was immer du mir an Schlechtem zutraust – ich bin keine Lügnerin, und ich unterschlage auch kein Geld.«
Wenigstens war er im Warmen, dachte sich Ronnie Babcock, als er im Wohnzimmer der Fosters stand, auch wenn er befürchten musste, dass von seinen Kleidern bald deutlich sichtbarer Dampf aufsteigen würde. Tom und Diana Foster hatten ihn hereingebeten, wenngleich widerwillig, aber sie hatten ihm nicht den Mantel abgenommen und ihn auch nicht gebeten, sich zu setzen. Sie hatten sich nicht einmal dazu durchringen können, ihm das anzubieten, was an einem Abend wie diesem das simpelste Gebot der Höflichkeit gewesen wäre – einen Drink nämlich. Vielleicht hatten sie angenommen, dass er ihn aus Prinzip ausschlagen würde, aber das war nur eine wohlwollende Interpretation.
Er schätzte das Paar auf Mitte bis Ende fünfzig – Städter, die sich dem Landleben zugewandt hatten, nicht ohne ihre eigenen Eckchen vom Paradies mitzubringen, indem sie das Interieur eines ursprünglich sicher ganz bezaubernden alten Bauernhauses in die exakte Kopie einer Vorstadt-Doppelhaushälfte von der Stange verwandelt hatten.
Der kleine elektrische Heizstrahler, den sie vor den leeren gemauerten Kamin gezogen hatten, gab Wellen rauer, trockener
Hitze von sich, die immerhin Babcocks durchgefrorene Gliedmaßen aufgetaut hatten, obwohl sie von Tom Fosters beträchtlichem Leibesumfang halb abgeschirmt wurden. Die Frau war dünn, hatte ein verkniffenes Gesicht und eine Frisur, der sie mittels Haarlack einen höchst unnatürlichen Rotton verpasst hatte. Das glitzernde Pailletten-Rentier auf ihrem Pullover war mit Abstand der fröhlichste – um nicht zu sagen geschmackvollste – Gegenstand im ganzen Raum. Sie hockte auf der äußersten Kante des Sofas, das zu einer potthässlichen Garnitur mit pfirsichfarbenem Plüschbezug gehörte, und ihr Blick ging immer wieder zu dem riesigen Fernseher in der Ecke, der ohne Ton lief, als ob sie sich einfach nicht davon losreißen könne.
Irgendwann hatte Babcock es sattgehabt, herumzustehen und zu warten, bis er Frostbeulen bekam, nur um den Spurensicherern bei der Arbeit zuzusehen, und so hatte er beschlossen, den Vorbesitzern des Viehstalls einen Besuch abzustatten. Er war allein hingegangen, weil er seinen Leuten wenigstens den Rest des Abends frei geben wollte, ehe die Ermittlungen richtig in Gang kamen, aber inzwischen wünschte er sich, er hätte jemanden mitgenommen, um wenigstens ein freundliches Gesicht an seiner Seite zu haben.
»Ich wüsste doch sehr gerne, was hier eigentlich läuft, Inspector«, fragte Tom Foster herrisch, als ob er Babcock zum Verhör bestellt hätte. »Ihre Leute sind den ganzen Abend den Feldweg auf und ab gefahren und
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