So will ich schweigen
-, und dann staunte er nur noch. Kit schien ebenso fasziniert wie er selbst.
Das Innere des Boots war komplett mit glänzenden Holzpaneelen von der Farbe hellen Honigs verkleidet. Das Licht kam von in der Decke versenkten Lampen. In einer Ecke stand auf einem gekachelten Podest ein Holzofen, und der Wohnbereich war mit einem kleinen cremefarbenen Ledersofa und einem dazu passenden Sessel möbliert, die auf einem farbenfrohen handgewebten Teppich standen. Jeder freie Winkel war mit eingebauten Bücherregalen und Schränken belegt, und die verbleibenden Wandflächen waren mit verzierten Porzellantellern geschmückt. In den Regalen verteilt standen Schöpfkellen und Wasserkannen, im traditionellen Canalware-Stil mit Rosenmotiven bemalt, die erstaunlich gut mit der modernen Einrichtung harmonierten.
Hinter dem Wohnbereich war ein Esstisch mit der Schmalseite an eine Wand gerückt, flankiert von zwei Polsterbänken. Die Rückenlehne der hinteren bildete den Abschluss zur Kombüse hin. Und was für eine Kombüse! Es war in der Tat eine hochmoderne Luxusküche, mit geschwungenen Granitarbeitsflächen und einem ovalen Edelstahlspülbecken. Kincaid stieß einen bewundernden Pfiff aus, als er daran dachte, was eine solche Einrichtung wohl gekostet haben musste, während Kit nur halblaut »Wow!« murmelte. »Ist größer, als man von außen meint«, fügte er hörbar beeindruckt hinzu.
»Ein bisschen wie in Alice im Wunderland , was?« Annie wies mit dem Kopf in Richtung Bug. »Die Horizon hat nur einen Fuß Tiefgang, aber auf diesen Platz unterhalb der Wasserlinie kommt es an. Schauen Sie sich ruhig den Rest auch noch an, ich setze schon mal Teewasser auf.«
Als sie sich hinter ihr in die Kombüse zwängten, bemerkte Kincaid ein Buch, das auf der Arbeitsfläche lag. Es war ein altes,
aber gut erhaltenes Exemplar von Tom Rolts Narrow Boat , ein Titel, den er im Antiquariat seines Vaters schon einmal gesehen hatte.
Das Bad war nicht minder elegant als der Salon und die Kombüse und sogar mit einer kleinen Wanne ausgestattet, und im Schlafzimmer stand ein ganz normales Doppelbett mit einer Tagesdecke aus Knittersamt in gedämpftem Mauve. Diese überraschend feminine Note, die zu der Frau, wie er sie kennengelernt hatte, so gar nicht zu passen schien, weckte Kincaids Interesse. Auf ihrem Nachttisch lagen ein paar aktuelle Romane und ein sehr zerlesenes Exemplar eines anderen Klassikers der Kanal-Literatur, The Water Road von dem bekannten Reiseschriftsteller Paul Gogarty. Kincaid musste gegen die Versuchung ankämpfen, es zu nehmen und ein wenig darin zu blättern.
Hinter der Schlafkabine entdeckten sie einen kleinen Maschinen- und Arbeitsraum, in dem jeder Quadratzentimeter optimal ausgenutzt war, und von dort führte eine Luke aufs Hinterdeck. Alles an Bord war höchst zweckmäßig angeordnet und gut in Schuss. Es erinnerte Kincaid an Gemmas alte Wohnung in der Garage ihrer Freundin Hazel Cavendish, und er konnte den Reiz des Lebens auf einem solchen Boot gut nachvollziehen. Natürlich nur, wenn man es sich streng verkniff, zu viel Krempel anzuhäufen, und eine Neigung zum Einsiedlertum hatte. Das Boot schien kaum für Gäste eingerichtet, wenngleich er sich vorstellen konnte, dass sich die Polsterbänke des Esstischs zu einem Bett zusammenschieben ließen.
Als sie in die Kombüse zurückkehrten, hatte Annie ihre Jacke ausgezogen und goss gerade heißes Wasser in Teebecher. »Legen Sie doch ab«, sagte sie. »Einfach alles aufs Sofa werfen. Mit einer Garderobe kann ich leider nicht dienen.« Durch den Heizkörper und den Holzofen war es tatsächlich recht warm
in der Kabine, und Kincaid war froh, sich von Jacke und Schal befreien zu können.
»Sie haben ja sogar eine Dusche und ein Klo«, platzte Kit heraus, nachdem er seinen Anorak auf Kincaids Jacke gelegt hatte. »Wie funktioniert …? Ich meine, Sie spülen es doch nicht einfach in den …«
Annie Lebow rettete ihn aus seiner Verlegenheit, als sei es ganz normal, im Smalltalk mit Fremden das Thema Fäkalienentsorgung abzuhandeln. »Das Boot hat einen Auffangtank. In den meisten Bootshäfen gibt es Pumpstationen, wo man seinen Tank ausleeren kann. Ziemlich unangenehmer Job, aber das gehört nun mal dazu.« Sie stellte die Becher auf den Esstisch, dazu eine Zuckerdose und ein Milchkännchen aus Steingut. Dann nahm sie eine Karte aus dem Bücherregal hinter sich.
Wie das Gogarty-Buch wies auch die Karte deutliche Gebrauchsspuren auf: Die Ränder waren zerfleddert, die
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