So will ich schweigen
Fernsehserie über das Leben auf dem Land einfiel, die sie einmal gesehen hatte. Aber nein – Dachse hielten Winterschlaf, da war sie sich ganz sicher. Und sie gab sich hier mit banalen Überlegungen ab, um ihre Nerven zu beruhigen.
Juliet schien Toby zuzuhören, der gerade eine ziemlich verwirrende Version der Quidditch-Regeln zum Besten gab, doch sie blickte auf, als Gemma die Teebeutel aus dem Schrank nahm. »Nein, warte«, sagte sie. »Unter der Spüle. Dad bewahrt da immer eine Flasche Schnaps auf.«
Als Gemma die untere Schranktür aufmachte, sah sie, dass da tatsächlich eine halb volle Flasche Calvados stand, versteckt hinter dem Spülmittel. »Sehr praktisch«, bemerkte sie, während sie einen großzügig bemessenen Schuss in die Tasse goss, der für Juliets Tee gedacht war.
»Sein Notvorrat. Rein für medizinische Zwecke, sagt er. Er hat uns immer Schnaps mit Zitrone und Honig eingeflößt, wenn wir als Kinder Halsweh hatten.« Juliet packte den Becher wie einen Rettungsring und nahm einen kräftigen Schluck.
Im nächsten Moment rang sie nach Luft und verzog das Gesicht wie ein Kind, dem man Hustensaft einflößt, um dann noch einmal wesentlich vorsichtiger an der Tasse zu nippen. Allmählich kehrte die Farbe in ihre Wangen zurück. »Du sagst, Mama und Papa sind die Kinder abholen gefahren? Aber Caspar wird toben. Er lässt sie sicher nicht …«
»Doch. Deine Mutter hat mit ihm gesprochen, und er war einverstanden.« Mehr sagte Gemma dazu nicht. Nachdem sie neben dem Calvados eine Tüte Kauknochen entdeckt hatte, fischte sie drei davon heraus und verteilte sie an die Hunde. Jack fletschte die Zähne, als Geordie und Tess ihm zu nahe kamen, doch nachdem sie einander eine Weile umkreist hatten, fand schließlich jeder der drei ein ruhiges Plätzchen, wo er sich über seine Beute hermachen konnte.
»Mama hat gesagt, dass sie sie hierher bringt?« Juliet wirkte zugleich erleichtert und entsetzt. »Es ist ja nicht so, als ob ich nicht wollte, dass sie mit ihm heimfahren«, beeilte sie sich zu erklären. »Aber wie soll ich Lally und Tom erklären, dass ich einfach weggefahren bin? Ich kann doch nicht … Niemand wird mir …« Sie brach ab.
Gemma ließ sich neben ihr auf einen Stuhl sinken und goss sich eine wesentlich geringere Menge von dem Calvados in ihre Tasse. Irgendjemand würde sicher bald zurückkommen, entweder Duncan und Kit oder Rosemary und Hugh mit den Kindern, und wenn sie noch irgendetwas aus Juliet herausbringen wollte, würde sie sich beeilen müssen. Mit sanfter Stimme sagte sie: »Warum erzählst du es nicht erst mal mir?«
Widerwillig stieg Babcock in seinen BMW und wartete noch einen Moment bei laufendem Motor, bis die Lüftung die Restwärme des Motors in das frostige Wageninnere geblasen hatte. Er zog seine Handschuhe an und trommelte mit den ledergepolsterten Fingerspitzen auf dem Lenkrad herum.
Irgendetwas war faul bei dieser Juliet Newcombe, und die Sache gefiel ihm ganz und gar nicht. Und genauso wenig mochte er es, wenn man ihn abblitzen ließ, auch nicht auf so elegante Weise, wie es Duncans höchst attraktive rothaarige Freundin eben getan hatte. Sie hatte unbedingt verhindern wollen, dass Juliet ihm verriet, wo sie gewesen war und warum sie so durcheinander war.
Seine Gedanken schweiften zu Duncan ab. Was hatte er denn erwartet? Dass sein alter Kumpel eine konventionelle Spießbürgerehe führte, mit einer gelangweilten, aber gut erhaltenen Gattin und verzogenen Teenagern, die ins Internat abgeschoben wurden? Stattdessen musste er feststellen, dass Duncan offenbar Tisch und Bett mit dieser hübschen jungen Frau teilte – jung genug, um ihn in die Kategorie »verdammter Glückspilz« einordnen zu können, und zudem blitzgescheit und von sympathischer Direktheit. Allerdings war ihm aufgefallen, dass sie »mein Sohn« gesagt hatte und nicht »unser Sohn«, als sie ihm den Kleinen mit dem flachsblonden Schopf vorgestellt hatte. Nichts war je so einfach, wie es im ersten Moment schien.
Zum Beispiel diese Geschichte mit Juliet Newcombe. Sie war die Frau eines angesehenen hiesigen Finanzberaters. Den Auftrag, den alten Viehstall zu renovieren, hatte sie durch eine Empfehlung des Kompagnons ihres Mannes bekommen, der rein zufällig an der Straße wohnte, die zu besagtem Viehstall führte, und der zufällig nicht zu Hause gewesen war, als die Uniformierten ihn als Zeugen hatten befragen wollen.
Babcock hatte seine Beamten angewiesen, es weiter bei Dutton zu versuchen.
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