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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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seine Augen vor Neugier. Er war ein hübscher Bursche mit klar geschnittenen Gesichtszügen, wie sie sein Vater ebenfalls gehabt haben musste, bevor die Jahre und das Genussleben sie verwischt und aufgeweicht hatten. Babcock fragte sich, wie lange er schon gelauscht hatte.
    »Sir.« Leo begrüßte ihn mit einem Nicken, kam jedoch nicht herein. Er wandte sich an seinen Vater. »Papa, ich gehe noch weg.«
    »Wohin?«, fragte Dutton, doch es schien ihn nicht wirklich zu interessieren.
    »Nach Barbridge. Ich treffe mich dort mit ein paar Freunden.«

    »Also schön. Komm nicht zu spät nach Hause.«
    »Okay«, antwortete Leo, und mit einem weiteren Nicken in Babcocks Richtung verschwand er so lautlos, wie er aufgetaucht war.
    Nach Barbridge waren es zu Fuß nur wenige Minuten, aber in dem Dorf gab es nichts außer dem Pub, und selbst wenn es geöffnet haben sollte, war Leo Dutton zu jung, als dass er es ohne Begleitung eines Erwachsenen hätte betreten dürfen. Was glaubte der Vater eigentlich, was sein Sohn mit seiner Clique dort machte?
    »Wahrscheinlich will er seinen Freunden sein neues Handy zeigen«, sagte Dutton, dem offensichtlich keine beunruhigenden Bilder von Minderjährigen durch den Kopf schossen, die sich von Älteren Bier schnorrten und im Bushäuschen verbotene Zigaretten oder Schlimmeres rauchten.
    Vielleicht war er schon zu lange Polizist, dachte Babcock, und sowieso ging es ihn nichts an. Leo war zu jung, um für das ausgesetzte Baby verantwortlich zu sein, es sei denn, er hätte schon in der Grundschule Kinder gezeugt. Babcock interessierte sich mehr für Juliet Newcombe. »Mr. Dutton, um auf Mrs. Newcombe zurückzukommen. Sie sagten vorhin …?«
    »Ach ja, entschuldigen Sie. Ich meinte nur, dass es ein schreckliches Erlebnis für Juliet gewesen sein muss, dieses Kind zu finden. Ich fühle mich ein bisschen verantwortlich, da ich sie schließlich für den Job empfohlen habe.«
    »Tom Foster schien gewisse Zweifel an Juliets Eignung für den Job zu hegen. Ich hätte gedacht, Sie müssten daran interessiert sein, dass Ihre neuen Nachbarn mit ihren Handwerkern zufrieden sind.«
    Dutton zog sein fleischiges Gesicht in missmutige Falten. »Foster hat offenbar irgendeine Bemerkung von mir missverstanden. Ich hätte den Bonners niemals Juliets Namen genannt,
wenn ich sie nicht für qualifiziert gehalten hätte. An ihrer fachlichen Eignung kann es keinen Zweifel geben …«
    »Aber?«, fragte Babcock, kaum dass er Duttons Zögern bemerkte.
    Dutton verschränkte die Hände hinter dem Rücken, trat von einem Fuß auf den anderen und wandte den Blick ab. »Ach, nichts weiter.«
    Babcock erwiderte nichts und ließ das Schweigen im Raum anwachsen, bis das Knistern und Knacken der Scheite im Kamin wie das tosende Prasseln eines Buschfeuers klang.
    Dutton brach die Spannung, wie Babcock es erwartet hatte. Er räusperte sich und sagte: »Es war eine schwierige Zeit für alle Beteiligten, als Juliet uns verließ. Selbstverständlich wünsche ich ihr Erfolg mit ihrer Unternehmung, ihretwegen wie auch wegen meines Partners. Ich würde nie etwas sagen, was diesen Erfolg gefährden könnte. Es ist nur …« Seine Miene wurde immer gequälter, und er räusperte sich erneut, doch diesmal hielt er Babcocks Blick stand, und seine blauen Augen musterten ihn ernst. Er seufzte und fuhr fort: »Es ist nur so, dass Juliet bisweilen zu hysterischen Ausbrüchen neigt. Ich fürchte, man kann sich nicht immer hundertprozentig auf sie verlassen.«
     
    Lally hatte sich einen Hocker in eine Ecke der Küche ihrer Großeltern gezogen, und da saß sie nun und kam sich vor wie eine einsame Insel in einem Ozean hin und her wogender Gespräche. Einen Moment lang fragte sie sich, wie es wäre, taub zu sein – zu sehen, wie die Münder sich bewegten, und nur sinnlose visuelle Signale zu empfangen. Aber auch Taube konnten Mienen lesen, und das war manchmal schlimm genug.
    Gott, wie sie das hasste – die Art, wie diese zwei sich anschauten, ihr Onkel Duncan und seine Gemma. Er saß mit ihrem
Großvater und Kit am hinteren Ende des Küchentischs, und Gemma hatte sich gerade vom Kühlschrank abgewandt. Über den ganzen Tumult hinweg sah er sie an und zuckte nur mit der Augenbraue, worauf sie kaum merklich nickte und einen Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln hochzog. Ihre Kommunikation war intimer als jede Berührung, und Lally war es so peinlich, sie dabei zu beobachten, als hätte sie die beiden nackt gesehen. Und die Tatsache, dass sie

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