So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
schließen. Du sitzt hinten, siehst vorgeblich die E-Mails auf deinem Computer durch und hoffst, einen substanziellen Eindruck zu machen.
Furcht vor Terroristen hat den Politiker dazu bewogen, Maßnahmen zur Sicherung seines Anwesens zu ergreifen, seine Nachbarn unter Druck zu setzen, ihm ihre Grundstücke zu verkaufen, eine Grenzmauer mit Bandstacheldraht darauf zu errichten, die die erlaubte Höhe weit übersteigt, und an beiden Enden der Straße illegale Barrikaden aufzustellen. Polizisten laufen herum, und eine schwer bewaffnete schnelle Eingreiftruppe döst auf einem Pick-up, bereit, ihn auf seinen Fahrten zu begleiten. Du darfst weiterfahren, aber sehr zu deiner Enttäuschung ohne deinen Wagen und die Angestellten, und auf dem Weg hinein wirst du zweimal gefilzt.
Die Arbeitsumgebung des Politikers ist nach dem Vorbild früherer Fürstenhöfe gestaltet, nämlich mit einer Reihe Wartezimmer für Gemeine, weiteren für Menschen von Stand sowie einem Allerheiligsten, in dem er und ein Kontingent seiner Berater sich aufhalten. Eure Transaktion läuft simultan mit etlichen weiteren Bemühungssträngen, die nichts miteinander zu tun haben, manche öffentlich, manche privat und manche scheinbar ohne jeden Zweck oder vielmehr mit dem einzigen Zweck des Amüsements. Gerade wird ausgiebig zu Mittag gegessen, und so geschieht alles zu Kaugeräuschen und mit wiederholten Gebärden, die wie vielfingriges Schnipsen wirken, in Wahrheit aber Versuche sind, Fett, Reis und sonstige kleine Essensreste ohne den Gebrauch von Wasser oder Papiertüchern zu entfernen. Nichts davon überrascht dich oder stößt dich ab, denn der Bürokrat hat dich gut präpariert, und sowieso überwiegt bei dir das Gefühl, etwas geleistet zu haben, weil du unter so wichtigen Leuten bist.
Euer Geschäft wird auf unkomplizierte, wenngleich scheinbar humorige Weise zum Abschluss gebracht, indem der Politiker einen aus seinem Gefolge lachend und mit gehobener Braue nach seiner Meinung fragt, als bäte er ihn, den Reiz einer mittelpreisigen Prostituierten abzuschätzen. Eine Zahl wird geäußert. Diese wird von dir mit unterwürfigem Gemurmel und Verbeugungen akzeptiert, genauso, wie der Bürokrat dich instruiert hat. Und das war’s auch schon.
Als du unter einem schönen, orangeroten, verschmutzten Himmel fortfährst, in deinem SUV hoch über kleineren Kombis und Motorrädern, summst du vor dich hin, und nur die Gegenwart deiner Angestellten hindert dich daran, laut ein Lied anzustimmen. Du hast es ganz schön weit gebracht. Dein Firmensitz taucht vor dir auf, der gesamte zweite Stock eines Bürokomplexes in zentraler Lage über einer belebten Reihe von Geschäften. Securityleute und Parkwächter grüßen dich, Fahrstuhltüren gleiten vor dir auf, und wenn du auf deinem Weg an ihren Schreibtischen vorbei ein paar wenigen ausgewählten deiner Manager zunickst, löst das aufgeregtes Geplapper aus. Ja, dein Treffen war ein Erfolg.
Als du nach Hause kommst, hält dein Sohn gerade auf dem Rasen eine Ansprache. Es ist Dämmerung, eine von Moskitos geliebte Zeit, und er trägt Shorts und T-Shirt, und der Anblick seines nackten braunen Fleischs macht dich besorgt, aber dann rennt er zu dir in deine Arme und gewährt dir das Vergnügen, seine feste kleine Gestalt hochzuheben, wobei seine Rückenwirbel vom Zug der Schwerkraft leise knacken, und das synthetische Zitronen-Limonen-Aroma des Insektensprays auf seiner Haut zu riechen. Dein Sohn ist ein pausbackiger Redner mit Topffrisur, der dir bis zum Nabel reicht, und an dem Abend hat er nicht nur sein Kindermädchen, sondern auch die Köchin und den Diener um sich versammelt, die in deiner Gegenwart alle deutlich förmlicher werden. Der Junge unterzieht sie einer politischen Rede, wie er sie im Fernsehen gesehen haben muss.
»Wenn ich euer Präsident bin …«
Du siehst und hörst ihm zu, wie immer mit dem Wunsch, mehr Zeit für ihn zu haben, ihn mit zur Arbeit zu nehmen oder, noch besser, hier bei ihm und seinen Spielsachen zu bleiben, auch denkst du an deine Eltern und stellst fest, dass sie ein halbes Jahrhundert zuvor dieselben Gefühle gehabt haben dürften, die du jetzt hast, in ihrem Fall nur mit mehr Beklommenheit, denn obwohl Krankheit oder Gewalt natürlich auch deinen Sohn dahinraffen könnten, ist die Wahrscheinlichkeit seines frühen Todes durch deine Erfolge dramatisch reduziert.
Du unterbrichst seine Rede, stürzt dich brüllend auf ihn. Er flüchtet kreischend ins Haus, und du schreist, dass
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