So zärtlich war das Ruhrgebiet
Fangenspielen in
der Pause immer die Schnellste. Man kriegte sie nie.
Auch Onkel Catcher zog in eine andere Wohnung.
„Man muss immer in Bewegung bleiben, sonst wird
man nämich träge“, erklärte er und drückte mir ein Knäuel zerknautschter
Plastikeinkaufstüten in die Hand. „Pack einfach rein, was reingeht, und dann ab
damit zur neuen Hütte, klar?“
Papa sagte, in Wirklichkeit habe sich Onkel
Catcher mit seinem Vermieter wegen der vielen Katzen verkracht. Onkel Catcher
brachte sie vom Hoesch-Gelände mit. Zweiundzwanzig Stück hatte er schon.
In der Küche packte ich schmutziges Geschirr in
eine Tüte. Damit es nicht kaputtging, stopfte ich außerdem ein paar von Onkel
Catchers Hemden hinein. Dann lief ich durch das Treppenhaus auf die Straße
hinunter. Der Weg zu Onkel Catchers neuer Wohnung war ganz kurz, nur über die
Kreuzung Mallinkrodt-/Ecke Schützenstraße und die nächste Straße rechts,
deshalb musste Onkel Catcher auch keinen Möbelwagen mieten.
Trotz der Hemden klapperte das Geschirr in den
Tüten. Auf der anderen Seite der Kreuzung befand sich ein Büdchen. Dort waren
Papa, Onkel Manfred und Onkel Bernhard und spielten mit dem Mann vom Büdchen
Karten. Neben ihnen auf dem Bürgersteig stand ein Element von Onkel Catchers
Wohnzimmerschrank, das sie rüber in die neue Wohnung tragen sollten. Manchmal
blieben Leute stehen und fragten, was der Schrank denn kosten soll.
Während Onkel Catcher auszog, zog gleichzeitig
einer seiner Arbeitskollegen in die alte Wohnung ein. Auch der Arbeitskollege
hatte alles, was er besaß, in Plastiktüten gepackt. Manchmal trug jemand die
Tüten, die er gerade heraufgeschleppt hatte, wieder runter auf die Straße und
zu Onkel Catchers neuer Wohnung hinüber. Schwierig war es auch mit den Katzen,
die sich beharrlich weigerten, in Tüten rübergetragen zu werden.
Auf meiner dritten Tour zur neuen Wohnung hatten
es sich Onkel Manfred, Onkel Bernhard und der Büdchenbesitzer bereits an Onkel
Catchers Wohnzimmertisch bequem gemacht, den sie vor dem Kiosk aufgestellt
hatten.
„Junge“, sprach der Büdchenbesitzer mich an,
„hüpf mal schnell rein und hol uns mal drei Pullen Bier aus’m Laden!“
Ich setzte meine Plastiktüten ab und lief in den Kiosk.
Ein Kunde kam und wollte eine Schachtel HB und eine „Neue Revue“, eine
Zeitschrift, in der sich Bilder nackter Frauen und viele Witzeseiten befanden.
Der Kioskbesitzer blickte kurz von seinen Karten auf und sagte: „Junge, bedienst
du mal eben?“
Als Onkel Catcher und Gallow mit
einem Kühlschrank im Gepäck am Büdchen vorbeikamen, entschieden sie, ebenfalls
eine Pause zu machen, und setzten sich dazu. Anwohner hatten Stühle
rausgetragen und rings um den Wohnzimmertisch von Onkel Catcher aufgestellt.
Einige schauten den Kartenspielern zu, andere hatten ebenfalls Karten und einen
Tisch mitgebracht. Ich lief herum und verkaufte Bier an die Leute.
„Micky“, rief Onkel Manfred mir zu, „lauf mal
eben zur Omma und sag, sie soll uns ein paar Koteletts braten. Und kumma, da
vorn hat sich eine von Catchers Katzen befreit. Pass auf, dass sie nicht auf
die Straße gerät.“
Als es dunkel wurde, legten
einige Anwohner Verlängerungskabel von ihren Wohnungen zu dem Platz vor das
Büdchen und trugen Stehlampen raus. Der Arbeitskollege und seine Helfer hatten
inzwischen die Sachen von Onkel Catcher in dessen neue Wohnung getragen und
übergaben ihm die Schlüssel.
Gegen Mitternacht erschienen
Polizisten. Eine Freundin meiner Onkel hatte auf einem Tisch begonnen, tanzend
ihre Sachen auszuziehen, und einen Auffahrunfall ausgelöst. Die Beamten
protokollierten den Vorfall, dann setzten sie sich auf ein Viertelstündchen
dazu. Onkel Catcher teilte Karten an sie aus.
Wie die Schlägerei entstanden
war, war später nicht mehr zu ermitteln. Auch die Polizisten waren darin verstrickt.
Einer wurde zusammen mit Onkel Catcher in die Unfallklinik an der
Immermannstraße gebracht, wo man beide ausnüchterte und ihre Schädelplatzwunden
nähte. Der Platz vor dem Büdchen wurde geräumt, und ein weiterer Polizist
teilte einer Anwohnerin vorübergehend einen Zweijährigen zu. Augenscheinlich
hatten ihn seine Eltern in der Hektik des Aufbruchs vergessen. Die LKW-Fahrer,
die vor einigen Stunden ihre Zugmaschinen am Straßenrand geparkt hatten, um
ebenfalls Karten zu
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