Social Netlove
seinen überdimensionalen Flatscreen von den anderen Computern unterschied. Andere Leute stellten sich so etwas als Fernseher in ihr Wohnzimmer.
»Und, was sagst du dazu, Marie?«
»Puuh …«, antwortete ich vage. So sprachlos war ich schon lange nicht mehr gewesen.
»Ist das ein gutes oder ein schlechtes Puh?«, fragte Thomas und grinste.
»Ein gutes natürlich, gell?«, antwortete Matze für mich und drückte meinen Arm. Ich nickte stumm und starrte weiterhin auf den Internetshop auf dem Bildschirm. Er sah extrem professionell und seriös aus, wie man es von den großen Onlinestores gewohnt war, die viel Geld für die Gestaltung und Programmierung aufgewandt hatten. Doch es war kein Shop von Longchamp, H&M oder Mango.
Es war meiner.
»Wann um Himmels Willen hast du das alles gemacht?«, fragte ich verblüfft, während ich den blau-weißen Traum betrachtete, den Thomas zusammengebastelt hatte.
»Ich habe damit gleich letzte Woche Freitag angefangen«, sagte mein bester Freund lächelnd. »Und in den letzten Tagen habe ich außerdem Fabian eingespannt – meinen Praktikanten in der Firma. Der hat sich ziemlich gefreut, dass er endlich mal selbst etwas Sinnvolles tun durfte, anstatt mir nur über die Schulter zu schauen.«
»Unfassbar.« Und das war es wirklich. Direkt vor mir erstrahlte die schönste Internetseite, die ich jemals gesehen hatte. Neben der hellblauen Grundfarbe hatte Thomas viele kleine, weiße Schmetterlinge auf der Seite verteilt und im oberen Viertel prangte mein Name in goldener Schrift. Die ganze Seite wirkte so filigran und einmalig wie die Kleider, die ich entwarf.
»Hier links ist das Menü. Ich wusste nicht genau, welche Rubriken du haben möchtest, habe jetzt aber sinnvollerweise nach Kleidungsstücken und Themen sortiert. Viel ist noch nicht drin – da du dich ja geweigert hast, mir deine Fotos zu schicken – aber das Grundgerüst der Homepage steht. Bestellformulare habe ich auch entworfen. Hier, siehst du?«
»Des hast du echt klasse gemacht, Thommy«, sagte Matze und sprach damit auch für mich.
Wow
.
»Ach, das bisschen PHP. Ihr solltet mal den Quellcode sehen. So ganz lupenrein ist der noch nicht. Da muss noch …«
»Thomas, lass gut sein. Ich kann dir ohnehin nicht folgen«, unterbrach ich ihn grinsend.
»Die Domain is auch schon reserviert, gell. www.MarieEmilieLau-Design.de «, erklärte Matze. »Ab morsche kannst du jeden Anfrager einfach auf die Internetseite verweise. Und dann kann das große Geschäft losgehe.«
»Apropos Geschäft, Marie: Du solltest dir ein Paypal-Konto einrichten. Das ist in Online-Shops mittlerweile Standard.«
»Das kann ich doch mache!« »Ach ihr beiden … Danke, danke, danke«, sagte ich euphorisch und blickte liebevoll von Thomas zu Matze, meinen beiden Unterstützern, die sich so viel Mühe gemacht hatten.
»Das ist ja nur der Anfang. Den Rest musst du allein schaffen«, erwiderte Thomas lächelnd und drückte mich. »Und vielleicht solltest du dich mal bei demjenigen bedanken, der das Ganze angestoßen hat …!«
»Na, da stimm ich dem Thommy aber zu! Wer isn der Wohltäter?«, fragte Matze in seiner naiven Unwissenheit.
»Niemand Wichtiges.« Ich warf Thomas einen bösen Blick zu. »Und überhaupt: Bei dem hatte ich noch etwas gut.«
»Naja …«, murmelte Thomas zweifelnd und rollte mit den Augen. Warum musste er ausgerechnet jetzt mit Jake anfangen und mir die Laune verderben?
»Dann lasst uns jetz ma loslegen und den Shop fertig machen! Ihr zwei kümmert euch um die Sach mit den Fotos und Beschreibungen und ich koch in der Zeit was Gescheides. Kreativität braucht Kraft!« Mit diesen Worten verschwand Matze in Thomas' kahler Designerküche.
»Du solltest dich wirklich bedanken«, zischte Thomas mir zu.
»Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«
»Gegenfrage: Auf wessen Seite stehst du? Bist du für oder gegen Matze? Wenn du für etwas Neues bereit wärst, würde es dir jedenfalls nichts ausmachen, dich bei Jake zu bedanken.«
»Du denkst also, ich wäre noch nicht über ihn hinweg, ja?«
Thomas antwortete nicht, stattdessen schüttelte er resignierend den Kopf. »Ach Marie … Wieso riskierst du nicht mal was? Du bist immer so vernünftig!«
»Na und?«
So war ich eben: Die ursprüngliche Marie, der als Kind beigebracht worden war, sich rational und besonnen zu verhalten und sich nicht von wankelmütigen Gefühlen ins Unglück treiben zu lassen. Während der tollen Zeit mit Isa hatte ich diese übervorsichtige
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