Socrates - Der friedvolle Krieger
Wanderer vor sich auf einer kleinen Lichtung eine Hütte, aus deren Fenstern ein schwaches Licht schien, das Wärme und Trost versprach. Die fallenden Schneeflocken erschienen grau in der Dämmerung. Nur dort, wo sie vor den erleuchteten Fenstern niederfielen, leuchteten sie noch einmal hell auf, bevor sie zu Boden sanken.
Die Hütte schien solide gebaut zu sein und war größer, als Sergej sie sich im ersten Moment vorgestellt hatte. Das Dach war mit Schindeln gedeckt und aus dem gemauerten Kamin stieg Rauch auf. Heschel trat auf die Veranda, nahm seine Mütze ab und schüttelte den Schnee von seinen Stiefeln. Sergej machte es ihm nach. Dann klopfte Heschel fest gegen die eichene Tür, die kurz drauf geöffnet wurde.
Nach einer herzlichen Begrüßung und nachdem sich die beiden gewaschen hatten, setzte sich Sergej zu der ersten richtigen Familie, an die er sich erinnern konnte, an den Tisch. Sara, die Mutter, eine zarte braunhaarige Frau, deren Haar fast völlig von einem weißen Kopftuch bedeckt wurde, das sie unter dem Kinn fest verknotet hatte, stellte das Essen auf den Tisch. Die beiden Kinder warfen Sergej neugierige Blicke zu, die er ebenso neugierig erwiderte. Awrom, ein hoch aufgeschossener Zwölfjähriger, schien zurückhaltend, aber ansonsten freundlich zu sein. Leja, eine hübsche Fünfjährige mit einem Schopf kupferroten Haares sah ihn schüchtern an.
Sergejs Augen konnten sich nicht an dem wohlgeordneten Haushalt sattsehen. Seine eigenen Kleider schienen ihm schlicht - um nicht zu sagen, schäbig - verglichen mit den glänzenden Hosen Awroms und dem schwarzen Kleid und dem weißen Kopftuch von Leja.
Der Vater, Benjamin Abramowitsch, erklärte ihm: »Am Sabbat werfen wir alle Sorgen des Alltags ab und widmen uns ausschließlich der Literatur, der Poesie und der Musik. Dieser Tag soll uns daran erinnern, dass wir keine Sklaven der Arbeit sind. Am Sabbat sind wir frei von weltlichen Dingen.«
Sara zündete zwei Kerzen an und sprach den Tischsegen. Nachdem Benjamin den Wein mit einem Gebet gesegnet hatte, bat er Heschel das geflochtene Brot, das sie Challa nannten, ebenfalls mit einem Gebet zu segnen. Sara erklärte Sergej, was alles an Essbarem auf dem Tisch stand. Da waren eine dicke Gerstensuppe, klein geschnittene Eier, Rote-Bete-Salat, Kräcker, verschiedene Gemüse aus dem eigenen Garten, Kartoffelpfannkuchen, Apfelreis und zum Nachtisch ein mit Äpfeln gefüllter Honigkuchen.
Während sie aßen, erklärte Sara mit einem Schulterzucken: »Ich wollte bei diesem Wetter eigentlich noch eine Hühnersuppe machen, aber das Huhn wollte nicht.«
Das ist also eine Mutter , dachte Sergej, während er Sara verstohlen ansah. Er beneidete die beiden Kinder, dass sie ihre Mutter jeden Tag um sich hatten.
Es war das beste Essen, an das er sich erinnern konnte. Es wurde viel gelacht und über alles Mögliche geplaudert. Der Abend war von einer ganz besonderen Atmosphäre erfüllt, was nicht nur an den vielen Kerzen und dem Glühen des Herdfeuers lag. Zum ersten Mal war Sergej Mitglied einer richtigen Familie. Diesen Abend würde er nicht so schnell vergessen.
Der nächste Tag verging wie im Flug. Awrom brachte Sergej bei, wie man Dame spielt. Während sie spielten, fiel Sergej eine Narbe auf, die direkt über dem rechten Auge auf Awroms Stirn zu sehen war. Awrom bemerkte, dass Sergej die Narbe anstarrte und erklärte: »Ich bin auf einen Baum geklettert und heruntergefallen. Ich glaube, das da habe ich einem Ast zu verdanken.« Mit diesen Worten zeigte er auf den roten Strich auf seiner Stirn. »Mutter hat gesagt, ich hätte beinahe mein Auge verloren. Und jetzt darf ich nicht mehr so hoch klettern«, fügte er bedauernd hinzu.
Da es am Nachmittag aufklarte, machte die ganze Familie einen Spaziergang durch den Wald. Benjamin zeigte auf die Bäume, deren Holz er für Heschels Geigen und Uhren verwendete.
Nachdem sie ins Haus zurückgekehrt waren, schlief Heschel mitten im Satz ein. Als er später erwachte, war er mürrisch, weil er nicht wusste, wo er war. Sara brachte ihm eine Tasse dampfenden Tee und überließ ihn sich selbst. Er würde schon zurechtkommen.
Am Abend, nachdem die ersten drei Sterne aufgegangen waren, endete der Sabbat mit weiteren Gebeten, die über dem Wein und den Kerzen gesprochen wurden. Nachdem Benjamin das neue Feuer im Herd entzündet hatte, nahm Heschel seinen Rucksack hervor und holte seine Geschenke heraus: Gewürze und Kerzen für die Erwachsenen und Süßigkeiten für
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