Socrates - Der friedvolle Krieger
Babu, deren offizieller Name Pauline Chudom war, mir ihre Geschichte erzählte - von ihrer Kindheit im Lager des Dimitri Sakoljew bis zu ihrer Ankunft im neuen Land - begriff ich wirklich das Leiden und den Triumph, die das Leben meiner Großmutter ausmachten.
Mein Urgroßvater Sergej war ein kluger und umsichtiger Mann - er war umsichtiger, als ich es mir je hätte vorstellen können. Wer das Buch »Der Pfad des friedvollen Kriegers« gelesen hat, wird sich vielleicht daran erinnern, dass mir Socrates schon 1968 gesagt hatte, dass er mich seit Jahren beobachtet habe. Diese Aussage blieb mir unverständlich, bis ich sein Tagebuch entdeckte und sah, dass der erste Eintrag das Datum des 22. Februar 1946 trug - der Tag meiner Geburt. Er machte diesen Eintrag zweiundzwanzig Jahre bevor wir uns tatsächlich begegneten. Erst da begann ich zu begreifen, dass er dieses Tagebuch geführt hatte, damit ich es eines Tages lesen konnte.
So kam es dazu, dass mein Urgroßvater Sergej Iwanow, den meine Mutter niemals kennen gelernt hatte, mein Mentor wurde, als wir uns 1967 in Berkeley begegneten. Nun weiß ich auch, warum er lächelte, als ich ihn in jener Nacht spontan Socrates genannt hatte - nach jenem griechischen Philosophen, den mein Ururgroßvater Heschel Rabinowitz und seine Tochter Natalja so sehr bewundert hatten.
Während unserer gemeinsamen Zeit sagte Socrates niemals etwas darüber, dass wir miteinander verwandt waren. Vielleicht tat er es aus demselben Grund, aus dem er sich nicht in das Leben meiner Großmutter Paulina einmischte. Aber selbst seine Tagebucheinträge ließen mich darüber im Unklaren. Erst von Babu erfuhr ich die ganze Wahrheit, sie hatte vor vielen, vielen Jahren an Valeria geschrieben und ihr ihren neuen Namen, ihren Aufenthaltsort und die Namen ihrer Kinder mitgeteilt.
Babu erzählte mir, dass sie nur noch ein einziges Mal mit Sergej ein paar Worte gewechselt hatte, und zwar auf dem Begräbnis meines Großvaters Abraham (Konstantin). Nachdem ich das gehört hatte, durchforschte ich meine frühesten Kindheitserinnerungen und mir kam ein Bild in den Sinn: Ich muss drei oder vier Jahre alt gewesen und stand ungeduldig zappelnd neben meiner Mutter. Als der Sarg mit dem Körper meines Großvaters ins Grab gesenkt wurde, fing meine Mutter an zu weinen und ich bemühte mich nach Kräften still zu sein.
Als ich mich umsah und mir die Gesichter der Leute anschaute, die sich hier versammelt hatten, fiel mir ein alter, weißhaariger Mann auf, der mir direkt in die Augen sah. Irgendwie sah er anders aus als die anderen Menschen. Auf jeden Fall lächelte er mich an und nickte mir freundlich zu, bevor er in der Menge untertauchte und verschwand.
Jahre später, als er sich meiner annahm, habe ich mich oft gefragt, warum er sich ausgerechnet mich ausgesucht hatte. Und wie oft habe ich mir gewünscht, dass ich im Gegenzug auch ihm etwas geben könnte. Nun verstehe ich das Ganze besser. Indem er sich meiner annahm, hatte Sergej eine Möglichkeit gefunden, die Weisheit weiterzugeben, die er mit Paulina hatte teilen wollen. Seine Lehren sind wie Juwelen, die ich an meine Kinder und deren Kinder und an alle Leser, an meine spirituelle Familie, weitergeben werde. Und nun habe ich die Geschichte seines Lebens erzählt und berichtet, was er uns allen hinterlassen hat.
Mein Urgroßvater Sergej Iwanow - der Mann, der mein Schutzengel war und den ich als Socrates kennen lernen sollte - hatte mich all die Jahre beobachtet und auf den richtigen Moment gewartet. Er konnte warten, weil er auf seinen vielen Reisen, auf seinem gewundenen Pfad zum Licht, Geduld gelernt hatte.
Eines Nachts, in den Stunden vor Sonnenaufgang,
sitzt ein altersloser Mann auf einem Stuhl vor einer
heruntergekommenen Texaco-Tankstelle.
Die Tankstelle gehört ihm und er hat Nachtschicht.
Seine Name ist Sergej Iwanow.
Dan Millman, ein junger Sportstudent, befindet sich
nach einer Verabredung auf dem Nachhauseweg,
als er sich - einem plötzlichen Impuls folgend - der
Tankstelle nähert. Er weiß nicht, warum er es tut - vielleicht,
um sich etwas zu trinken oder zu essen
zu holen. Socrates lächelt hinter halb geschlossenen
Augen. Er ist gekommen. Jetzt fängt es an.
Das letzte Kapitel.
DANK
Niemand ist so klug wie wir alle zusammen. Unzählige Menschen aus Vergangenheit und Gegenwart haben dazu beigetragen, dass dieses Buch entstehen konnte. Zahlreiche Schriftsteller, Philosophen und Mentoren waren Stationen auf meiner Odyssee. Und
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