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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Frage ist also: Wofür wirst du dich entscheiden, junger Socrates? Überlege gut und denke daran, dass deine Entscheidung nicht nur dich allein betrifft. Du bist nicht der, der ermordet wurde. Es geht auch um Anja. Welche Art von Leben würde sie sich für dich wünschen?«
    Als er wieder allein war, wanderte Sergej über die ganze Insel. Seraphims Worte hatten das verstärkt, was bereits in ihm herangewachsen war. In all den Jahren des Trainings hatte er seinen eigenen Schatten kennen gelernt. Sergej verstand nun, warum Männer und Nationen einander bekämpfen und wie jeder Akt der Vergeltung, Verzweiflung und Ignoranz nur zu immer neuen Tragödien führt.
    Sein Hass war erloschen wie ein Feuer, das nicht mehr mit Holz gefüttert wurde. Als er seinen Schwur losließ, fand er eine Art vorläufigen Frieden, der aber noch sehr zerbrechlich war. Wenn er wirklich seine Vergangenheit aufgäbe, würde er dadurch nicht auch seine Zukunft verlieren? Bisher hatte er immer gewusst, was er tat, warum er es tat und was sein Ziel war. Seine Aufgabe, die Mörder seiner Familie zu töten, war beendet. Nun gab es weder ein Ziel, noch hatte sein Leben einen Sinn.
    Sergej schwebte orientierungslos zwischen Himmel und Erde und wusste nicht mehr, wo seine Bestimmung lag.

37
    N achdem Sergej all die Jahre jeden Nachmittag trainiert hatte, hatte er plötzlich viel Zeit zur Verfügung und einen neuen geistigen Fokus. Die Energie, die er bisher auf sein Kampftraining verwandt hatte, war mit einem Mal frei. Sergej gewann neue Einsichten und ein tieferes Verständnis, er erkannte, dass dieser Teil seines Lebens bald der Vergangenheit angehören würde. Er sah seine bisherige Ausbildung nun in einem größeren Zusammenhang und ihm wurde klar, dass das Training für den Kampf ihm den Weg zum Frieden geebnet hatte.
    Sergej war an einem Wendepunkt angekommen und konnte sich endlich selbst seine vergangenen »Fehler« vergeben. Er akzeptierte, dass er an jenem Tag auf der Wiese sein Bestes getan hatte, dass er aber dennoch nicht in der Lage gewesen war, seine Familie zu retten. Als er diese Wahrheit erkannte, konnte er endlich Frieden mit den Schatten seiner Vergangenheit schließen. Noch immer spürte er eine schwere Last auf seinen Schultern, aber er glaubte nun fest daran, dass diese Last irgendwann einmal von ihm genommen werden würde und dass ein neues Leben auf ihn wartete.
    Es war Zeit, Valeria endlich einen Brief zu schreiben. Sergej begab sich in den Gemeinschaftsraum, in dem er so hart trainiert hatte, setzte sich hin und schrieb Worte, die direkt aus seinem Herzen flossen.
    Liebe Valeria,
ich weiß, dass ich nicht mehr das Recht habe, dich Mutter
zu nennen, aber in meinem Herzen wirst du immer genau
das bleiben. Und Anja wird immer meine geliebte Frau sein.
    Ich hoffe, dass dein Herz in den vergangenen Jahren geheilt
ist und dass dieser Brief keine alten Wunden aufreißt, sondern
dich an bessere Zeiten erinnert. Ich werde immer
dankbar für das sein, was du mir gegeben hast. Ich war
anfangs so von Anjas Tod überwältigt, dass ich keine Zeit
hatte, auch um dich und Andreas zu trauern.
    Ich bitte dich nicht um Vergebung, ich sende dir nur
meine Liebe und danke dir für die Güte, die du mir während
unserer Tage des Glücks gegeben hast. Bitte grüße
meinen Bruder Andreas ganz herzlich von mir.
    In immerwährender Liebe und mit den besten Wünschen für deine Gesundheit,
     
Sergej
    Dieser Brief war lange überfällig, aber Sergej hatte den zeitlichen Abstand gebraucht, bevor er ihn schreiben konnte. Und vielleicht würde Valeria ihn auch jetzt erst lesen können. Er erwartete keine Antwort, es war genug, dass er ihn geschrieben hatte.

38
    A ls Sergej Seraphim das nächste Mal sah, überraschte ihn der alte Mönch wieder einmal, aber diesmal nicht mit einem Tritt oder einem Schlag. Sergej hatte erwartet, dass Seraphim ihm vom friedlichen Leben der Mönche auf Walaam vorschwärmen würde, aber stattdessen sagte der Vater ernst: »Du musst die Insel verlassen, Sergej, und zwar sofort!«
    Sergej stand wie vor den Kopf geschlagen da und fragte ungläubig: »Verlassen? Und wohin soll ich gehen?«
    »Lass uns einen Spaziergang machen, dann erzähle ich dir alles. Und wenn ich fertig bin, hoffe ich, dass du deine Sachen packst und dich verabschiedest, bevor du auf dein neues Pferd steigst.«
    Völlig verwirrt beschloss Sergej, dennoch den Mund zu halten und zu warten, bis Seraphim ihm alles erklärt hatte. Sie gingen weiter und

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