Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
Vom Netzwerk:
besuchen, um ihm von seinen Erfahrungen zu berichten und ihm zu danken. Anschließend würde er sich Arbeit suchen, Geld sparen und endlich die Reise nach Amerika antreten. Aber zuerst wollte er Anjas Grab aufsuchen.
    Als er auf der Wiese stand, sah er, dass alles noch gleich aussah, obwohl sich inzwischen vieles verändert hatte. Mittlerweile wuchsen Blumen auf dem Grab. Als er still der Liebe seines Lebens gedachte, strich ein Windhauch über sein Gesicht und er erkannte, dass er endlich Frieden gefunden hatte.
    Und mit dieser Erkenntnis reifte in ihm ein neuer Plan heran: Er würde Valeria und Andreas aufsuchen. Sechzehn Jahre waren vergangen, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Wenn er Frieden mit der Vergangenheit geschlossen hatte, war es womöglich auch ihnen gelungen.
    In den frühen Abendstunden hatte er einen Stall für Paestka gefunden, in dem sie gestriegelt und gefüttert werden würde und sich endlich ausruhen konnte. Wie bei seinem ersten Besuch vor siebzehn Jahren suchte er auch dieses Mal zuerst einen Barbier auf, ließ sich die Haare schneiden und den Bart stutzen und er badete ausgiebig. Dann machte er sich auf den Weg zu Valeria. Er hegte keinerlei Erwartungen, er war einfach offen für alles, was passieren mochte.
    Nur eines hätte er sich sicherlich nicht träumen lassen, nämlich dass Valeria bei seinem Anblick in Tränen ausbrach und ihn schluchzend an ihre Brust zog. Dabei sprach sie so schnell, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen.
    »Sergej! Sergej! Endlich sind meine Gebete erhört worden. Wir dachten, wir würden dich nie wieder sehen. Nachdem wir deinen Brief bekommen hatten - es muss vor zwei oder drei Jahren gewesen sein - fuhr Andreas nach Walaam, aber du warst bereits fort. O Sergej, ich habe so um Anja geweint, aber dann habe ich auch um dich geweint. Du hast ja keine Vorstellung, wie oft ich mir gewünscht habe, ich hätte diese unseligen Worte nie gesprochen. Aber jetzt bist du wieder da! Kannst du mir vergeben, Sergej? Wie du gelitten haben musst.«
    Wieder fing sie an zu weinen. Sergej umarmte und tröstete sie und durch diesen einfachen Akt der Zuneigung wurde eine alte Wunde geheilt.
    Plötzlich riss Valeria die Augen auf. »Andreas wird bald hier sein. O, er wird so überrascht sein, dich zu sehen. Habe ich dir gesagt, dass er inzwischen verheiratet ist? Seine Frau heißt Katja und ich habe einen Enkel, den kleinen Awrom, und ein zweites Kind ist unterwegs.«
    Obwohl Valeria die Luft ausging, ließ sie sich nicht bremsen. »Sie werden gleich da sein, ich muss das Abendessen kochen, irgendetwas Besonderes. O Sergej, bitte vergib mir, ich habe dich noch gar nicht zu Wort kommen lassen. Du musst mir alles erzählen. Nein, warte lieber, bis wir alle zusammen sind. Ich hab dir auch viel zu erzählen.« Damit rauschte sie davon und fing an, in der Küche herumzuwerken.
    Als Andreas mit seiner Familie nach Hause kam und Sergej sah, schrie er vor freudiger Überraschung auf und umarmte Sergej wie einen Bruder. Sergej fiel auf, dass Andreas sich in den vergangenen Jahren sehr verändert hatte. Er nahm an, dass Katja, eine ruhig dreinblickende, schwarzhaarige Frau, deren Bauch vom zweiten Kind gerundet war, etwas damit zu tun haben musste. Nachdem Andreas ihn seiner Frau vorgestellt hatte, nahm Katja den kleinen Awrom an die Hand und ging ins Nebenzimmer, um die Windeln zu wechseln. Während sie damit beschäftigt war und während Valeria das Essen zubereitete, hatten die Männer Zeit zu reden.
    Andreas erzählte Sergej von seinen Reisen nach Persien und seinem erfolgreichen Teppichimportgeschäft. »Und das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht …« Er unterbrach sich selbst und sagte: »Lass uns lieber später darüber sprechen.«
     
    Nach dem leichten Geplauder während des Essens wandte sich das Gespräch ernsteren Themen zu. Andreas sagte: »Die Pogrome sind unter Zar Nikolaus weitergegangen. Auf meinen Reisen habe ich schreckliches Elend mit ansehen müssen. Dies ist nur für jene ein goldenes Zeitalter, die Gold besitzen, Sergej. Aber die Armen werden immer verzweifelter. Ich habe sogar schon Gerüchte gehört, dass es eine Revolution geben wird. Ich habe Angst um uns, die wir hier in Sankt Petersburg leben.«
    »Ein weiterer Grund, warum ihr mit mir nach Amerika kommen solltet.«
    Valeria nahm Sergejs Hand und sagte leise: »In dieser Hinsicht habe ich meine Meinung nicht geändert, Sergej. Ich bin zu alt, um den Boden zu verlassen, auf dem ich geboren worden bin

Weitere Kostenlose Bücher