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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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greifen oder zu schlagen, schlug sie gegen einen Nerv in seinem Arm. Wenn einer versuchte, sie mit seinem rechten Bein zu treten, so wurde ihm das linke weggefegt.
    Paulina verspürte nicht das Verlangen, irgendjemanden zu töten - nicht einmal das weißhaarige Monster, das sie in ihren Träumen heimsuchte. Sie war sich nicht sicher, ob sie es tatsächlich fertig bringen würde, ihm die Luftröhre einzuschlagen, das Genick zu brechen oder ihm ein Messer in den Leib zu stoßen. Aber da es ihrem Vater so viel bedeutete, gab sie ihr Bestes, um sich auf die unvermeidlich kommende Auseinandersetzung vorzubereiten.
    Als sie einmal gefragt hatte, warum Vater Dimitri nicht einfach eine Pistole oder ein Gewehr benutzte, hatte der geantwortet: »Ein Gewehr kann ebenso wie eine Pistole eine Ladehemmung haben. Die Hände oder das Messer sind im Nahkampf die besten Waffen - und die befriedigendsten.«
    Was für eine seltsame Antwort , hatte sie gedacht. Aber schließlich war er der Anführer eines Kosakentrupps und hatte viel Erfahrung in diesen Dingen. Aber dennoch machten sich in ihrem Kopf immer mehr Zweifel breit. Es kam ihr vor, als sei ihr Leben ein Puzzle, dem einige wichtige Teile fehlten.
    Einige Monate später war endgültig klar, dass keiner der Männer sie mehr besiegen konnte - außer Korolew vielleicht, der sich aber stets weigerte, mit einem Kind - wie er Paulina immer noch nannte - zu spielen. Aber das war wahrscheinlich auch gut so, denn Korolew war wie ein wildes Tier und wenn er in die Enge getrieben wäre, würde er sicher versuchen sie umzubringen. Dann würde einer von den beiden sterben müssen und Sakoljew wagte nicht vorherzusagen, wer. Es war schon mühsam genug, den Riesen, der etwas völlig anderes wollte, als mit Paulina zu kämpfen, von seiner Tochter fern zu halten. Obwohl Korolews Weigerung seine Autorität als Ataman untergrub, beschloss Sakoljew die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er tat es für Paulina. Für Paulina würde er alles tun. Sakoljew wachte schweißgebadet auf, weil er wieder einmal einen seiner Albträume hatte. Als er die Augen aufriss, wurden die Schreie leiser. Nur eine Erinnerung hielt sich hartnäckig, aber welche? Er rieb sich die Stirn und versuchte vergeblich, die grausigen Bilder und Geräusche zu vertreiben: all die vielen Toten, die Stimme eines alten Kameraden, das Gesicht eines Mädchen, das er entjungfert hatte, flüsternde Stimmen, der Tag auf der Wiese. All diese Schreckensbilder zogen vor seinem geistigen Auge vorbei, obwohl er die Augen weit aufgerissen hatte. Und wer war schuld daran, dass ihn diese Albträume heimsuchten? Sergej Iwanow, das Monster, das seine Frau ermordet hatte.
    Er stöhnte auf, sah sich dann schnell um, als ob er Angst hätte, dass ihn jemand gehört haben könnte. »Träume, nichts als dumme Träume«, versicherte er sich selbst und stand auf, um auf und ab zu laufen. Sergej Iwanow würde bald sterben. Paulina würde ihn, ihren Vater, rächen. Und zwar schon sehr bald.
     
    Paulina stand im Freien unter dem sternenklaren Nachthimmel und hielt das Medaillon in den Händen. Als sie zu den Sternen emporschaute, seufzte sie tief und wünschte sich, ihr Vater hätte ihr niemals etwas über die Vergangenheit und ihre Bestimmung erzählt. Sie fühlte sich, als ob ihr die kindliche Unschuld abhanden gekommen wäre, denn bisher hatte sie immer an das Gute im Menschen geglaubt. Und nun zog sich Konstantin mehr und mehr von ihr zurück und eine schreckliche Aufgabe lag vor ihr.
    Nach diesem Tag schien Paulina immer von einer schwarzen Wolke umgeben zu sein und hinter ihrem Lächeln, das immer seltener wurde, verbarg sich eine tiefe Melancholie. Aber ihr Entschluss stand fest: Sie würde die Aufgabe erfüllen, die ihr Vater ihr auferlegt hatte. Sie würde es für ihn - und für sich selbst - tun.
    Paulina wusste sehr wohl, dass ihr Vater jede Nacht litt und Furchtbares durchmachen musste. Aber auch sie selbst litt ja unter Albträumen, die jetzt allerdings eine neue Qualität angenommen hatten. In ihren Träumen sah sie Wälder und Wiesen und das traurige Gesicht einer älteren Frau, die sie selbst hätte sein können. Die Lippen der Frau bewegten sich, aber Paulina konnte die Worte nicht verstehen. Und manchmal sah sie sogar diesen Mann - Sergej Iwanow -, aber er drehte ihr immer den Rücken zu, sodass sie wohl sein kurz geschnittenes, weißes Haar sehen konnte, aber nie sein Gesicht.
    Und wenn sie erwachte, fing ein neuer Albtraum an. Ihr Körper

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