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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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oder weit nach Norden verzogen hatte.
    Aber nein , überzeugte er sich schließlich selbst, Sakoljew musste noch in der Ukraine sein . Schließlich fanden die Massaker hier statt. Aber die Ukraine war ein so riesiges Land, dass Sergejs Geduld und seine Kraft mehr als einmal wacklig zu werden drohten. Die Ukraine erstreckte sich mehr als tausend Kilometer von Süden nach Norden und von Westen nach Osten. Genauso gut hätte er nach einer einzelnen vergrabenen Münze in einem riesigen Wald suchen können.
    Er ritt erst westwärts, dann ostwärts, aber immer nach Süden in Richtung Kiew, ins Zentrum der Ukraine. Er folgte Gerüchten, aber alle Spuren lösten sich in nichts auf.
    Sergej mied die größeren Städte und suchte abgelegene Hütten, Gehöfte und kleinere Dörfer auf, die als mögliche Opfer infrage kamen. Nahe einem solchen Dorf sprach er mit einem älteren Juden, der in Ermangelung eines Pferdes oder eines Maultieres seinen Karren selbst zog. Der alte Mann bot an, Sergej etwas von seinen mageren Vorräten abzugeben, aber Sergej lehnte ab.
    »Danke, aber ich brauche Informationen nötiger als Nahrung. Wissen Sie etwas über kürzlich stattgefundene Pogrome?«
    »Wer wüsste das nicht?«, antwortete der Alte. »In den Dörfern um Kiew, Minsk und Poltawa plündern und morden Reiterhorden, die aus dem Nichts auftauchen. Es sind Wölfe, die sich als Menschen verkleidet haben. Nein, sie sind schlimmer, denn Wölfe töten niemals ihre eigenen Artgenossen. Aber diese Männer bringen Männer, Frauen und Kinder um. Warum tun sie das? Aus welchem Grund?«
    Als Sergej ihn fragte, wo man die Banditen zuletzt gesehen hatte, senkte der Alte seinen Blick. Entweder konnte er nichts sagen oder er wollte es nicht. Er schüttelte nur langsam und bedächtig seinen grauen Kopf.
     
    Als wieder einmal der Winter hereinbrach, war Sergejs Geduld am Ende. Er ritt in seine lange Burka eingewickelt über den gefrorenen Boden und stemmte sich gegen den Wind. Ausgezehrt und grimmig trieb er die müde Paestka weiter. Aber seine Zweifel hatten zugenommen.
    Trotz all der Fähigkeiten, die er sich inzwischen erworben hatte, konnte er dennoch die Spur der Männer nicht finden, er konnte nicht wie ein Hund ihre Witterung aufnehmen. Und er konnte auch ihre Gesichter nicht in Zweigen sehen, die er auf den Boden werfen müsste, wie es bestimmte Wahrsager tun. Er brauchte konkrete Hinweise, denen er nachgehen konnte. Solange er nichts Konkretes fand, folgte er einfach den Gerüchten und dem Klatsch, der ihm überall erzählt wurde.
    Er fastete und betete darum, dass ihm der Weg zu seinem Sohn gezeigt werden möge, aber er bekam keine Antwort. Vielleicht stelle ich ja die falsche Frage , dachte er plötzlich. Sein Atem verlangsamte sich, als er in eine tiefe Trance fiel und jegliches Gefühl für seinen Körper verlor. In diesem Zustand fragte er: »Wo ist Dimitri Sakoljew?«
    Die Antwort kam in einer anderen Form, als er erwartet hatte. Aus dem Nichts tauchte Sakoljews Gesicht mit der bleichen Haut, dem strohblonden Haar und den toten Augen vor ihm auf. Er stellte sich das Gesicht nicht vor, er sah es tatsächlich - und er spürte das volle Gewicht von Sakoljews Qualen und Wahnsinn. Er fühlte sie, als wären es seine eigenen.

43
    I m selben Moment - und gar nicht weit entfernt - tauchte das Gesicht von Sergej Iwanow vor dem Geist des schlafenden Sakoljew auf. Er erwachte voller Panik und sah, wie sich Sergej das Monster über ihn beugte. Sakoljew schnappte verzweifelt nach Luft und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Das Gesicht seines Feindes zeigte keine Wut, sondern eher so etwas wie Mitgefühl. Dann war das Gesicht wieder verschwunden.
    Sakoljew sprang von seiner Schlafstatt auf und lief hektisch hin und her. Dabei schlug er mit den Fäusten auf seinen Schädel ein. Einen Augenblick lang dachte er daran, seiner Tochter die Wahrheit zu erzählen. Aber was war die Wahrheit? Wenn er sich doch nur erinnern könnte …
     
    Als Kinder waren Paulina und Konstantin unzertrennlich gewesen, aber heute waren ihre Begegnungen seltener, dafür aber umso kostbarer geworden. Eines Tages fand Konstantin Paulina am Bach sitzen, wo sie ihre Füße ins kalte Wasser baumeln ließ. Er setze sich neben sie und ließ die Füße ebenfalls ins Wasser hängen. Fast hätte er den Mut aufgebracht, sie zu fragen, ob sie mit ihm davonlaufen würde, aber er wusste nicht, wie und wo er anfangen sollte, ihr die Wahrheit zu erzählen. So sagte er wieder

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