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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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vor, als segele er direkt in einen Traum hinein.
    Mehrere der Pilger, mit denen er sich unterhalten hatte, hatten begeistert von den Klippen, Lichtungen und den vielen kleinen Seen gesprochen, die sich inmitten unberührter Wälder befanden. Außer dem Hauptkloster, das den Mittelpunkt der Gemeinde darstellte, gab es noch zahlreiche kleinere Einsiedeleien, die über die ganze Insel verstreut lagen und in denen Mönche wohnten, die sich noch konsequenter von der Welt zurückgezogen hatten. Noch isolierter waren die Einsiedler, die in Höhlen oder Erdlöchern lebten. Ein Pilger formulierte es so: »In den Höhlen leben die Mönche und Gott, bis nur noch Gott übriggeblieben ist.«
    Ein Bruder, der zum Kloster zurückkehrte, erzählte Sergej, dass es mehrere Male zerstört worden war, weil die friedliebenden Mönche sich geweigert hatten, gegen die schwedischen Eindringlinge zu kämpfen. Schließlich hatte Peter der Große die Insel von den Schweden zurückerobert.
    Wie m erkwürdig , dachte Sergej, einen Krieger ausgerechnet unter pazifistischen Mönchen zu suchen . Ein solcher Mann würde sicherlich auffallen und leicht zu finden sein. Falls er sich überhaupt auf Walaam aufhielt … und falls er denn gefunden werden wollte.
     
    Sergej schlug sein Lager an einem abgelegenen Ort im Wald inmitten von Flechten, Farnen und den ersten Blüten des Frühlings auf. In den folgenden Tagen wanderte er - vorbei an dem Gehöft, das die ganze Insel mit Milch und Gemüse versorgte, an abgelegenen Einsiedeleien und den winzigen Klausen der Einsiedler - kreuz und quer über die Insel. Er versuchte immer wieder, einen Blick auf die Mönche zu erhaschen, um herauszufinden, ob einer von ihnen möglicherweise der Gesuchte war.
    Im Lauf der folgenden Wochen beobachtete Sergej die schwarz gekleideten Mönche genauer. Razin hatte den Meister sicherlich vor langer Zeit kennen gelernt, also musste er zumindest im mittleren Alter sein, wahrscheinlich um die vierzig oder fünfzig, möglicherweise war er sogar noch älter. Wenn der Krieger tatsächlich unter den friedlichen Mönchen und Einsiedlern leben sollte, würde er sich sicherlich durch seine Art des Ganges verraten.
    Nach einiger Zeit konnte Sergej die einzelnen Mönche voneinander unterscheiden. Eines Tages war ihm einer der Klostervorsteher besonders aufgefallen. Sergej war im Hauptkloster gewesen, als er sah, wie einer der schwarz gekleideten Mönche - ein Mann mit einem schneeweißen Bart und langem weißen Haar - einem sterbenden Mönchsbruder die letzte Salbung gab. Ein paar Minuten später sah Sergej, wie derselbe Mann - die Augen in tiefer Konzentration geschlossen - einem anderen Patienten die Hände auf Brust und Stirn legte. Als der Mönch die Augen öffnete und aufblickte, sah er Sergej, der wie verzaubert dastand, direkt in die Augen.
    Der Bann wurde gebrochen, als ein Mönch, der den Raum betrat, Sergej im Vorbeigehen anstieß. Er drehte sich zu Sergej um, sah den verzückten Ausdruck auf dessen Gesicht, und sagte lächelnd: »Das ist Vater Seraphim. Er ist ein Starets.«
    Später erfuhr Sergej, dass das Wort »Starets« einen älteren Vater von außergewöhnlichem Charakter und außergewöhnlicher Weisheit bezeichnet. Er nahm sich vor, mit diesem Vater Seraphim zu sprechen, der alt und weise genug sein musste, um sich an den Krieger, den Sergej suchte, zu erinnern.
    Bis es dazu kommen würde, fragte er weiterhin die Mönche aus. Er konnte den pazifistischen Mönchen nicht offen sagen, dass er nach einem Krieger suchte, daher formulierte er seine Frage etwas vorsichtiger. »Ich habe einmal etwas über einen Mann gehört, der hier leben soll. Bevor er inneren Frieden fand, soll er ein großer Krieger gewesen sein. Habt ihr schon einmal von einem solchen Mann gehört?« Seine Frage wurde meistens mit einem höflichen Kopfschütteln beantwortet. Niemand schien je von einem solchen Mann gehört zu haben und Sergej konnte keine Spur von ihm entdecken.
    Als der Sommer zum Herbst wurde und die ersten kalten Herbststürme vom See herüberwehten, kamen Sergej ernste Zweifel, ob es einen solchen Mann überhaupt gab - zumindest auf Walaam.
    Während Sergej die Mönche beobachtete, hatten diese ihn ihrerseits beobachtet. Was sie sahen, war ein junger Pilger mit weißem Haar, der über die Insel streifte und Fragen stellte. Eines Tages überbrachte ein Mönch, der sich Sergej als Bruder Jewgeni vorstellte, die folgende Botschaft: »Die Ältesten wissen von deiner Anwesenheit, aber sie

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