Socrates - Der friedvolle Krieger
nächsten Schritt machte, trat Sergej ihm gegen das Knie, sodass er das Gleichgewicht verlor. Dann griff er in die Haare des Mannes und entwand ihm das Messer. Nachdem er ihn so entwaffnet hatte, warf Sergej ihn zu Boden. Die anderen drei waren von der plötzlichen Gegenwehr so überrascht, dass Sergej Zeit genug hatte, sich den nächsten beiden zuzuwenden. Den einen deckte er mit einer ganzen Reihe von Schlägen ein, den anderen hielt er sich mit einem gezielten Tritt vom Leib. Dem vierten Schläger gelang ein Glückstreffer, als er Sergejs Schläfe mit einem Fausthieb streifte. Einen Moment lang wurde es dunkel vor Sergejs Augen. Er fiel und als er am Boden lag, spürte er einen Tritt in die Seite und dann noch einen.
Als er am Boden lag und verzweifelt versuchte, seinen Kopf zu schützen, tauchten vor seinem inneren Auge Bilder aus der Vergangenheit auf. Wieder sah er sich hilflos und gedemütigt am Boden liegen, umringt von Sakoljew und seinen Männern. Die Erinnerung weckte eine ungeheure Wut in ihm - was ihm wahrscheinlich das Leben rettete. Er rollte zur Seite und kam wieder auf die Beine. Er warf den ersten Mann zu Boden, den zweiten setzte er mit einem Tritt gegen den Oberschenkel außer Gefecht. Als der dritte einen schlampig ausgeführten Seitwärtstritt zu landen versuchte, fing Sergej sein Bein und verdrehte es. Erst hörte er ein knirschendes Geräusch, dann schrie der Mann vor Schmerz auf. Plötzlich schoss Sergejs Arm instinktiv empor und wehrte einen Schlag ab, den er nicht einmal gesehen hatte. Dann trat er nach hinten in die Hoden des Angreifers. Nun verloren die Männer die Lust am Kampf und zogen sich humpelnd und laut fluchend zurück.
Sergej beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie, um wieder zu Atem zu kommen, während er sich selbst einer Bestandsaufnahme unterzog. Sein Kopf schmerzte und in seinen Ohren rauschte es, aber außer etlichen blauen Flecken hatte er keine größeren Verletzungen. Er schüttelte sich und ging weiter ins Dorf hinein, um die üblichen Nachforschungen anzustellen. Da er nicht mehr erfuhr als sonst auch, kehrte er schon bald in den Wald zurück, wo er die Nacht - wie so viele andere davor - neben seinem treuen Gefährten Dikar verbrachte.
Am Abend saß er vor seinem Feuer und starrte in die Flammen. Er dachte an die vier Betrunkenen, die ihn fast geschlagen hätten. »Unterschätze niemals deine Gegner«, murmelte er zu sich selbst und wiederholte so den Rat, den Alexej ihm Jahre zuvor gegeben hatte.
Dann kam ihm ein altes Sprichwort in den Sinn: Ich höre und vergesse, ich sehe und erinnere mich, ich handle und verstehe. Nun verstand Sergej, dass die vier Trunkenbolde in ihrer Jugend sicherlich Soldaten gewesen waren, die nicht unerhebliche Kampferfahrung hatten. Dass er sie unterschätzt hatte, war ein schwerer Fehler gewesen. Diesen Fehler würde er nicht noch einmal machen.
Seine eigene Kampferfahrung war auf die Prügeleien während seiner Jugendjahre, die Ringkämpfe in der Anstalt und seinen Kampf gegen Sakoljew vor vielen Jahren beschränkt - und auf seine furchtbare spätere Niederlage gegen eben diesen Sakoljew.
Als Sergejs Lider schwerer wurden und ihm die Augen zufielen, sah er Bilder aus den vergangenen Monaten vorbeiziehen. Er sah sich gegen Schatten kämpfen, er sah Leonid und er sah Razin. Da erinnerte er sich an die Worte des Schwertmeisters, der ihm von dem Meister auf der Mönchsinsel im Ladogasee erzählt hatte.
Er fiel in einen unruhigen Schlaf, in dem er weiter gegen Phantome kämpfte - gegen fünf Sakoljews, zehn Sakoljews, dann gegen immer mehr. Sie verschwanden und er sah sich plötzlich auf seinem Lager in Razins Hütte liegen. Der Schwertmeister hatte sich über ihn gebeugt und würde gleich zuschlagen, aber dieses Mal nicht mit einem Stock, sondern mit einem scharfen Säbel. Sergej starrte die Klinge wie gebannt an, während diese auf ihn herniederfuhr.
Plötzlich riss ein Krachen, das sich wie ein Schuss anhörte, Sergej aus seinen Albträumen. Er warf sich instinktiv zur Seite, um Razins Schwert auszuweichen. In diesem Augenblick fiel ein großer Ast krachend genau auf die Stelle, auf der er nur einen Augenblick zuvor noch gelegen hatte. Der Boden erbebte unter dem Aufprall. Völlig verwirrt sprang Sergej auf die Füße, um sich gegen Razin zu verteidigen, bis ihm klar wurde, was tatsächlich geschehen war.
Er atmete tief durch, während sich in seinem Kopf ein Entschluss formte. Dann ging er zu Dikar hinüber, um ihn
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