Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein
Geburtsrecht als Erlends Sohn bestätigt worden zu sein. Nach einer Weile nickte Charru ihm zu, und Jarlon glitt vorsichtig ein paar Schritte zur Seite.
Die Spitze seines Schwertes klirrte sacht gegen den Stein.
Wie unter einem Hieb zuckten die Wächter zusammen. Sie erstarrten förmlich, wurden zu silbernen Standbildern. Sekunden verstrichen. Diesmal scharrte Jarlon mit der Sohle seiner geschnürten Sandale über den Boden, und einer der Wächter setzte sich zögernd in Bewegung. Er ging auf Jarlon zu.
Charru hätte ihn gern im offenen Kampf getötet, aber er wußte, daß sie schon hier unten scheitern würden, wenn es ihren Gegnern gelang, auch nur einen Schrei auszustoßen. Der Wächter blieb stehen. Charrus Blick glitt zu dem zweiten Krieger - und im gleichen Moment schnellte Camelo hinter dem Mann hoch wie ein Schatten und schlang ihm die Arme um die Kehle.
Ein ersticktes Ächzen.
Charru streckte sich, sprang über den Felsblock hinweg und landete federnd neben seinem Gegner. Ein blitzschneller Stoß - die Schwertspitze drang dem schreckensstarren Wächter zwischen Helm und Brünne in den Hals. Blut schoß aus der Wunde, ergoß sich in breitem Strom über die Rüstung, und der Getroffene sank lautlos in sich zusammen.
Auch Camelos Gegner rührte sich nicht mehr.
Hastig schleiften sie die Toten ins Gestrüpp, wo sie nicht so schnell entdeckt werden konnten. Charrus Gesicht war hart, als er sich abwandte. Es gefiel ihm nicht, einen Menschen hinterrücks zu töten. Aber er wußte, daß sie keine Wahl hatten, und als er schweigend zwischen den Felsen aufwärts kletterte, lag Bitterkeit in seinen Augen.
Als sie das Plateau erreichten, begann wieder die Trommel zu dröhnen.
Und die drei Männer wußten, daß sie nur aus einem Grund für kurze Zeit verstummt war: damit Bar Nergal seine Greisenstimme erheben und das Urteil der Götter verkünden konnte.
*
Gitter klirrten.
Schwere Schritte mischten sich mit dem Geräusch der Trommel, Fackelschein huschte über die feuchten Wände des Gewölbes, Arliss von Mornag stand aufrecht in ihrem Verlies und warf das schwarze Haar zurück, als die Wächter kamen.
Niemand brauchte sie über den langen Gang und die engen steinernen Wendeltreppen zu zerren.
Sie schritt rasch und stolz vorwärts. Die Blicke der Männer tasteten über ihren Körper und senkten sich hastig, als sie Arliss' Augen begegneten. Das Trommeln wurde lauter, legte sich betäubend über die Ohren. Halbnackte Tempelsklaven öffneten eine mit Reliefs und Götterbildern geschmückte Tür, und Arliss trat hinaus auf die Plattform unter der Kuppel.
Wie Donnerrollen dröhnte die große Trommel, unermüdlich die Götter anrufend.
Auf dem Platz vor dem Tempel drängten sich Menschen, schoben und stießen einander, mit verzerrten Gesichtern und aufgerissenen Mündern, die immer wieder die gleichen monotonen Gebete heulten. Auf dem Plateau standen Priester und Akolythen stumm im Halbkreis. Fackeln flackerten und ließen die gigantischen Götterstatuen noch unheimlicher wirken. Arliss' Blick streifte den steinernen Pfeiler, an dem fast täglich irgendein Unglücklicher für geringfügige Vergehen gepeitscht wurde, und glitt zu dem schwarzen, blutbesudelten Opferblock hinüber.
Groß und düster stand Bar Nergal im Schatten zwischen dem Block und den Statuen.
Die dunkelrote Robe leuchtete, das Gesicht wirkte im ungewissen Licht fahl wie ein von Fleisch und Haut entblößter Totenschädel. Nur die tiefliegenden schwarzen Augen schienen zu leben. Augen, die in einem bösen Feuer funkelten, die gierig nach den Zeichen der Angst im Antlitz des Opfers suchten...
Arliss von Mornag lächelte voller Verachtung.
Ihr Blick ging durch den Oberpriester hindurch, wanderte zurück in die Vergangenheit, beschwor die glücklichen Bilder ihrer Kindheit. Sie wußte, daß sie die Kraft finden würde, die Angst zu bezwingen.
*
Die Stadt war wie ausgestorben.
Haus an Haus reihte sich, gemauerte Wände, leuchteten von der Farbe, die die Tempeltal-Leute aus zermahlenem, mit Wasser gemischtem Stein gewannen, wie er nur hier im Tal vorkam. Die Kuppeldächer glänzten blau und golden, auf den Türen leuchteten rote Bannmale, die böse Geister fernhalten sollten. Charru fühlte das ungewohnt glatte Pflaster unter seinen Füßen, hörte das zarte Klingen der hauchdünnen Goldplättchen in den Fenstern, die ebenfalls gegen Geister und Dämonen schützten, aber er war nicht fähig, das alles bewußt wahrzunehmen.
In seinen Ohren
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