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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Boden. Ein vielstimmiger Schrei ertönte, und dann mischte sich das leise Klirren unzähliger Waffen zu einem drohenden metallischen Singen, als die Reihen der Krieger vorrückten und sich vor den berittenen Priestern zu einem schützenden Wall zusammenschlossen.
    »Gerinth?« sagte Charru leise.
    »Ja, Fürst?«
    »Nimm dir zwei Männer und versuche, Arliss wegzubringen, sobald das Getümmel losbricht.«
    »Ja, Fürst.«
    Gerinth stellte keine Fragen. Charru wußte, daß der alte Mann verstanden hatte.
    Wenn es an der Zeit war, würde Arliss von Mornag den reinen Tod in den Flammen dem Opfermesser der Priester vorziehen.
    *
    Die Kuppel des Mondsteins glänzte im kalten, klaren Licht des Museumssaals.
    Simon Jessardin hatte die Universitätsdiener angewiesen, die akustische Überwachung auszuschalten. Es war unnötig, sich der Tortur von Kampflärm, Waffenklirren und Todesschreien auszusetzen. Auch Conal Nord empfand die Stille wohltuend. Aber zugleich mußte er gegen eine seltsame Regung von schlechtem Gewissen ankämpfen - als sei es seine Pflicht, dies alles bis zur bitteren Neige auszukosten.
    Vielleicht stimmte das auch.
    Das barbarische Schauspiel dort unten war nicht der Krieg eines wahnsinnigen Oberpriesters, sondern der Krieg der marsianischen Wissenschaft. Und er war zu seiner, Conal Nords, Unterhaltung inszeniert worden.
    Oder nicht? Der Venusier machte sich klar, daß das Experiment der Friedensforschung diente, der Zukunft der Menschheit. Trotzdem hätte er gern die Augen geschlossen -doch das unerklärliche Gefühl der Verpflichtung zwang ihn, keinen Blick von dem schrecklichen Gewimmel auf der Ebene zu lassen.
    Er sah, wie die Übermacht der gerüsteten Krieger auf den verlorenen Haufen halb nackter, nur mit Schild und Schwert bewaffneter Wilder stieß.
    Er sah, wie Waffen aufeinanderprallten, Funken stoben, Blut floß, wie die Krieger des schwarzhaarigen Mannes mit den blauen Augen unbegreiflicherweise nicht hinweggefegt wurden, sondern der Übermacht standhielten. Warum dieser aussichtslose Kampf, fragte sich Conal Nord. Es war sinnlos und unvernünftig, sie wußten es und kämpften dennoch. Etwas war in ihnen, das die gesamte Wissenschaft der Vereinigten Planeten nicht zu erklären vermochte. Etwas, das Weltbrände entfachen konnte, das zu sinnlosen Greueln führte oder zu sinnlosen Opfern, wie sie vor zwanzig Jahren die Merkur-Siedler gebracht hatten.
    Conal Nord fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
    Gebannt hingen seine Augen an den Figürchen, die sich um einen weißhaarigen alten Mann scharten. Ihr Versuch, die Stadt Mornag zu erreichen, scheiterte noch vor dem Waldgürtel. Priesterkrieger holten sie ein, schnitten ihnen den Weg ab, trieben sie zurück, während andere die schwache Verteidigung der Königshalle überrannten. Der Venusier sah das Mädchen, das mit brutaler Gewalt weggeschleppt wurde, und glaubte auch ohne die akustische Überwachung den Wutschrei der Tiefland-Krieger zu hören. Minutenlang wogte das Gemetzel noch wilder und verzweifelter, und dann hatte das überlegene Priesterheer die Ebene förmlich leergefegt.
    Die Krieger in ihren schimmernden Rüstungen fluteten zurück, als würden sie von den offenen Toren in der Mauer aufgesogen.
    Conal Nord sah das gefesselte Mädchen auf einem der Pferde, die verwüstete Königshalle, die Toten und Verwundeten auf der Ebene. Einzelne Figürchen richteten sich mühsam wieder auf, vom Waldgürtel her kam eine Gruppe taumelnder, blutbesudelter Gestalten. Der Venusier erkannte den weißhaarigen alten Mann unter ihnen. Nords Blick suchte den Anführer der Tiefland Stämme, und er entdeckte ihn bewußtlos zwischen den schwarzen Felsen der Ebene.
    »Kommen Sie«, sagte Simon Jessardin ruhig. »Die Entscheidung ist gefallen. Jetzt wird nur noch von Interesse sein, auf welche Weise die Priester die Besiegten in ihre Herrschaft eingliedern.«
    »Und was geschieht mit dem Mädchen?«
    »Sie wird den schwarzen Göttern geopfert. Aber das ist ein unerfreuliches Schauspiel, das wir uns besser ersparen sollten.«
    Nein, dachte der Venusier.
    Ihr sollten wir es ersparen.
    Er fragte sich plötzlich, mit welchem Recht die Wissenschaft der Vereinigten Planeten den alten Fluch der Menschheit auf eine Gruppe unschuldiger Opfer abwälzte. Und während er neben dem Präsidenten den Museumssaal verließ, wußte er, daß das dem äußeren Anschein zum Trotz durchaus keine unvernünftige Frage war...
III
    »Charru! - Charru...«
    Die Stimme klang fern.

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