Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
Vom Netzwerk:
der Priester war.
    Es dauerte lange, bis sich sein rasender Herzschlag beruhigte.
    Undeutlich sah er Wände um sich - seltsame graue Wände, die zu glatt waren, um aus Fels oder behauenem Stein zu bestehen. Vorsichtig schwamm er ein Stück von dem stürzenden Wasser weg und drehte sich auf den Rücken. Auch die Decke über ihm war glatt, bis auf das Loch, aus dem das Wasser kam. Eine Art Schacht. Hoch oben konnte er wabernden Dampf und, sehr schwach, den rötlichen Widerschein von Feuer erkennen. Ganz kurz durchfuhr ihn die Furcht, für ewig in einer unterirdischen Höhle gefangen zu sein, doch das war nicht möglich. Der See mußte einen Abfluß haben, sonst wäre das Wasser längst in den Schacht hinaufgestiegen, immer weiter, bis es die Flammenwände gelöscht hätte.
    Tief atmete Charru die kalte, feuchte Luft ein.
    Sein Herz klopfte immer noch erregt, doch seltsamerweise empfand er keine Furcht. Nur tiefes Staunen - und einen wilden, unvernünftigen Triumph. Er hatte es geschafft. Er hatte sterben wollen, er war den Fluß hinuntergeschwommen, und er hatte den Weg durch die Flammenwände gefunden, von dem er seit seiner Kindheit träumte.
    Seine Augen wanderten.
    Jetzt, da er sich an das schwache Licht gewöhnt hatte, konnte er seine Umgebung deutlicher erkennen. Das Licht ging von einer merkwürdigen runden Scheibe aus, die in die Wand eingelassen war. Und als er genauer hinsah, erkannte er, daß sich unterhalb dieser Scheibe eine Öffnung befand.
    Rings um den schwarzen See verlief eine Art Sims, der so ähnlich aussah wie die Stufen der Tempelpyramide.
    Charru schwamm darauf zu. Er zuckte zusammen, als er die Kante berührte, mußte sich überwinden, fester zuzupacken. Was erfühlte, war weder Stein noch Metall, glich überhaupt keinem Material, das er kannte. Konnte es der gleiche Stoff sein, aus dem die Himmelskuppel bestand? Und wenn es etwas unterhalb der Felsen und der Flammen gab - war es dann möglich, daß auch etwas oberhalb der Kuppel existierte?
    Mit klopfendem Herzen zog sich Charru auf den breiten Sims.
    Seine Hand tastete über die Wand: das gleiche glatte graue Material. Die Oberfläche schimmerte leicht. Und die runde Scheibe über der Öffnung glitzerte und schickte Strahlen aus, als ob eine Fackel durch Eis scheine.
    Die Öffnung...
    Viereckig, aber nicht von einer Tür verschlossen. Ein schmaler Gang lag dahinter, ebenfalls mit glänzenden grauen Wänden. An der Decke zog sich ein merkwürdiges Gitter aus dünnen glühenden Stäben hin, das für Licht sorgte. Langsam folgte Charru dem Gang, und nach wenigen Schritten hörte er ein fernes, dumpfes Dröhnen.
    Einen Augenblick fühlte er sich an die große Trommel der Priester erinnert. Aber das Geräusch war doch anders: mehr ein Stampfen, ein gleichmäßiges Geräusch ohne Leben. Charru biß sich auf die Lippen. Eben noch war ihm der Gang endlos erschienen, jetzt wurde ihm klar, daß ihn der ungewohnte, gleichmäßig graue Schimmer der Wände genarrt hatte. Eine weitere glatte Fläche versperrte ihm den Weg - doch noch ehe er sich ganz klarmachen konnte, daß es nicht weiterging, entstand vor seinen Augen ein Riß in dem unbekannten Material.
    Zwei Wandstücke glitten lautlos auseinander.
    Vor einer Ewigkeit hatte er gesehen, wie sich in der schwarzen Felswand des Tempeltals das Tor der Götter öffnete. Dies hier war ganz ähnlich, nur daß es nicht von dem ohrenbetäubenden Knirschen des Steins begleitet wurde. Charru ging weiter, trat über die Schwelle und sah sich in dem hallenartigen Raum um, der sich vor ihm auftat.
    Das Dröhnen und Stampfen hatte sich verstärkt, legte sich betäubend über die Ohren.
    Einen Augenblick betrachtete Charru verständnislos die seltsamen Geräte, die den Raum füllten, die dicken Metallröhren und das Wasser, das an einer davon herunterfloß Er versuchte, sich den Weg ins Gedächtnis zu rufen, den er gegangen war, und plötzlich wußte er, wo er sich befand: irgendwo unterhalb des Felsengrates, der das Tempeltal vom Tal des Todes trennte. Der schwarze Fluß entsprang dort. Er stürzte durch die Flammenwand in den unterirdischen See, der See mußte einen Abfluß haben, und die Röhren hier führten offenbar Wasser...
    Hieß das vielleicht, daß das Wasser auf irgendeine Weise aus dem See und durch die Röhren dorthin zurückfloß, wo der Fluß entsprang?
    Wasser konnte nicht aufwärts fließen. Und doch: Charru hatte sich so oft gefragt, woher es kam und wohin es verschwand, daß er sofort bereit war,

Weitere Kostenlose Bücher