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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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eine Woge sein Bewußtsein.
    Er rannte.
    Taumelnd, keuchend, gehetzt von der Vorstellung, daß die Röhre ihn zerquetschen würde, wenn er nicht entkam. Schwindel ergriff ihn. Das Gefühl des Anschwellens, Wachsens, Sich-Dehnens war unerträglich, betäubte seine Sinne, ließ das Herz wie eine Trommel in seiner Brust schlagen. Die blaue, auseinandergleitende Wand verschwamm vor seinen Augen. Er rannte weiter, stolperte, riß sich verzweifelt wieder hoch. Halb blind vor Entsetzen taumelte er gegen irgendein Hindernis, versuchte sich festzuklammern und spürte, wie die glatte Fläche unter seinen Händen nachgab.
    Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er das Gefühl, zwischen einer gespenstisch weißen Landschaft und einem unendlich hohen schwarzen Himmel in der Luft zu hängen.
    Dann stürzte er, schlug mit dem Kopf gegen eine scharfe Kante und verlor das Bewußtsein, ohne sich auch nur darüber klarzuwerden, daß es eine Treppe war, die er hinunterrollte.
V
    Mit einem Gefühl des Schocks, der durch alle Nervenfasern zuckte, kam Charru wieder zu sich.
    Er rührte sich nicht, hielt die Augen geschlossen und lauschte. Das leise Singen des Windes war das einzige Geräusch, das er hörte. Sein Körper schmerzte von den Peitschenstriemen und Abschürfungen, aus der wieder aufgebrochenen Wunde an der Schulter rann Blut über seinen Arm, aber das entsetzliche Gefühl des Sich-Ausdehnens war verebbt. Dieser Tunnel - wie war es möglich gewesen, daß er sich zusammenzog? Hätte er ihn wirklich zerquetscht? Charru schob die quälenden Fragen von sich, öffnete die Augen und drückte ächzend seinen Oberkörper hoch.
    Mit angehaltenem Atem starrte er auf das Gewirr gigantischer weißer Klötze, das sich vor ihm ausbreitete.
    Waren das Häuser? Manche davon ragten wie Finger in den Himmel. Und dieser Himmel war fremd, unendlich hoch, voller winziger Lichtquellen. Charru entdeckte zwei silberne Sicheln und unzählige blinkende Punkte. Das Gefühl der Weite und Grenzenlosigkeit überwältigte ihn, und es fiel ihm schwer, sich von der fremdartigen, atemberaubenden Schönheit des Bildes loszureißen.
    Sein Blick fiel auf die hellen, durchsichtigen Röhren, die die höchsten der weißen Gebäude untereinander verbanden.
    Er zuckte zusammen, als er die Gestalten darin erkannte. Sie schienen zu schweben. Jedenfalls glitten sie durch die Röhren, ohne die Beine zu bewegen. Und wenn sie auch zu weit entfernt waren, um sie genauer zu sehen, so glichen sie doch jedenfalls nicht den schrecklichen schwarzen Göttern.
    Menschen...
    Menschen, die in einer weißen Welt lebten, die keine Fackeln brauchten, um Licht zu erzeugen, lieber etwas über sich oder um sich hatten, das Charru unendlich erschien, ganz anders als die blaue Kuppel, die er immer als etwas Abgeschlossenes empfunden hatte. Nirgends sah er den Widerschein vorn Feuer, nirgends etwas, das an die ewigen Flammenwände erinnerte und eine Grenze dieser Welt hätte sein können. Er wandte den Kopf und betrachtete die Treppe, die er offenbar heruntergestürzt war. Sie führte zu einer glatten weißen Tür, die zu einer ebenso glatten weißen Wand gehörte. War er, Charru, aus dem Haus dort gekommen? War es überhaupt ein Haus? Er erinnerte sich, daß der schreckliche blaue Raum ungefähr auf gleicher Höhe mit dem Tor der Götter gelegen hatte. Und das hieß, daß sich unmittelbar hinter dem weißen Gebäude die riesige Kuppel erheben mußte, die sich über das Tempeltal und das Tiefland spannte.
    Warum, dachte Charru verständnislos.
    Mit schmerzhafter Plötzlichkeit wurde ihm klar, daß die Menschen dieser Welt die Kuppel irgendwie künstlich erschaffen haben mußten. Sie hatten den unterirdischen See angelegt, sie hielten den Fluß in Gang, und sie schickten die schwarzen Götter. Aber warum? Warum sperrten diese Menschen ein anderes Volk ein? Für welches Verbrechen? Konnte es sein, das die Priester es wußten, daß sie es nur verschwiegen, weil die Wahrheit unerträglich gewesen wäre?
    Charru erhob sich mühsam und ging an der weißen Wand entlang bis zur Ecke.
    Erschrocken blieb er stehen.
    Weitere Gebäude lagen vor ihm, ein riesiger, verschachtelter Komplex - eine Stadt, auch wenn sie unendlich fremd wirkte. Drei schlanke, mit Röhren verbundene Türme trugen eine schimmernde Kuppel, doch die lag schwindelerregend hoch und konnte nicht viel größer als die Tempelpyramide sein. Charrus Mund wurde trocken. Wo war die blaue Kuppel? Wo war die Welt, die er verlassen hatte und in

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