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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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welchen Auftrag haben die Götter diesmal? Noch mehr Unheil anzurichten? Fragen Sie sich nicht manchmal, ob eine so in Gang gesetzte Entwicklung wirklich als beispielhaft gelten kann oder...«
    Die Stimme verklang.
    Langsam erloschen die leuchtenden Wände, bis nur noch ein schwaches Glimmen die große Halle erhellte. Charru spannte sich, lauschte mit geschlossenen Augen und angehaltenem Atem. Alles um ihn war fremd, und doch dauerte es nur wenige Sekunden, bis ihm seine geschärften Sinne sagten, daß er allein war.
    Sein Blick hing an der Halbkugel, an dem flackernden Feuerring, den er nun deutlicher erkennen konnte. Das samtene blaue Licht unter der Kuppel war seltsam vertraut, genau wie das, malvenfarbene Leuchten in der Nähe der Flammen. Es gab keine Treppe, die von der Galerie in die Halle hinunterführte. Charru zögerte, lauschte noch einmal, dann schwang er sich einfach über die Brüstung und sprang.
    Federnd landete er auf dem schimmernden weißen Boden und stützte sich mit den Händen ab. Schmerz zuckte von der Schulter her durch seinen Körper, doch er achtete nicht darauf. Schwankend erhob er sich und ging die wenigen Schritte bis zu der Halbkugel.
    Jetzt konnte er sehen, was sich darunter verbarg.
    Verständnislos starrte er in die blaue Dämmerung. Eine Miniatur-Landschaft lag vor ihm, eine bis in alle Einzelheiten naturgetreue Nachbildung der Welt, aus der er geflohen war. Die Steppen des Tieflands dehnten sich im Widerschein der Flammenwände. Düster und abweisend ragte die große Mauer empor, die winzigen Spielzeughäuser der Tempelstadt schmiegten sich zwischen die Bergflanken. Jenseits des Grats entsprang der schwarze Fluß, strömte in langen Schleifen durch das Tal des Todes, und selbst der kochende Nebel waberte und brodelte genau wie in der Wirklichkeit.
    Was bedeutete das?
    Welchen Sinn hatte diese mit so viel Sorgfalt hergestellte Nachbildung seiner Welt?
    Charru kniff die Augen zusammen, versuchte angestrengt, den tiefen Schatten zu durchdringen - und dann hatte er plötzlich das Gefühl, als habe die normale, gewohnte Wirklichkeit ihn abgeschüttelt und mitten in einen entsetzlichen Alptraum geschleudert.
    Auf der großen Mauer bewegten sich silberne Schatten.
    Gestalten! Winzige Figürchen in schimmernden Rüstungen, Krieger! Charru hielt den Atem an. Seine Augen narrten ihn, es mußte so sein. Er klammerte sich an diese Gewißheit, und doch...
    Sie bewegten sich!
    Er sah es, jeder Zweifel war ausgeschlossen. Die Krieger marschierten hin und her, hielten Wache auf der Mauer, wie sie es jede Nacht taten. Lichter glommen in der Tempelstadt, und jenseits des Waldgürtels brannten die Lagerfeuer von Mornag. Charrus Blick tastete über die Ebene. Er entdeckte die Quelle am Fuß der Mauer, die gnomenhaften Schattenrisse der Weiden am Bach und auch dort Gestalten. Jarlon und Camelo! Gerinth mit dem langen weißen Haar, der an einem Baumstamm lehnte. Karstein, Kormak, Gillon von Tareth- die jungen Männer der Stämme, die in sichtlicher Erregung mit Gerinth und den Ältesten des Rats stritten. Kein. Laut war zu hören, kein Wort drang aus der Kuppel - und doch wußte Charru so genau, was sie besprachen, als stehe er mitten unter ihnen.
    Spielzeug, klang es in ihm nach.
    Lebendiges Spielzeug...
    Er starrte auf die winzigen Figürchen. Im wahnwitzigen Wirbel seiner Gedanken versuchte er, die Gewißheit wiederzufinden, daß das alles unmöglich war. Ein Werk der Menschen, die diese fremde Welt bewohnten! Irgendein Wunderwerk der Zauberei oder des überlegenen Wissens oder...
    Mit einem unbewußten Stöhnen preßte Charru die Handflächen auf die Kuppel und fühlte den glatten, kühlen Stoff.
    Er sah die tiefe Wunde, die sich über Camelos Brust zog. Er sah den hilflosen Zorn, der das Gesicht seines Bruders Jarlon verzerrte, und er sah das Figürchen mit Gerinths weißem Haar, das sich von dem winzigen Baumstamm löste und den Arm um Jarlons Schultern legte.
    Es war Gerinth.
    Es waren Jarlon und Camelo.
    Charru wußte es, wußte es plötzlich mit einer blinden, schwindelerregenden Gewißheit, die ihn schüttelte, und tief in seinem Innern liefen Erinnerungen ab wie in einer Folge scharfer, überwältigend klarer Bilder.
    Der Tunnel!
    Der Tunnel, der sich zusammenzog, um ihn zu zerquetschen - das hatte er geglaubt. Aber deutlicher noch erinnerte er sich an das Gefühl, sich auszudehnen, anzuschwellen, zu wachsen - und es war dieses Gefühl gewesen, das sein panisches Grauen ausgelöst

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