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Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Titel: Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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ein böser Zauber kann ihm den Eid entrissen haben. Nabu Gor sagt, dieser Eid gilt nicht. Er sagt, wenn die Stämme unterworfen sind, werden die Schwarzen Götter unser Tal wieder erschaffen und den Tempel von neuem aufrichten.«
    »Dann möchtest du also in das Tal zurückkehren?«
    Der Junge zögerte.
    Jessardin hob die Brauen, sah überrascht den winzigen Funken der Auflehnung in den angstvollen Augen. Der junge Akolyth blickte auf seine gefesselten Hände.
    »Bar Nergal will es«, flüsterte er.
    »Und du? Sag die Wahrheit. Niemand wird dich dafür bestrafen.«
    Der Junge hob den Kopf. Der Funke wurde zu einer kleinen Flamme, die seine Augen erhellte.
    »Ich nicht, Herr«, sagte er fast unhörbar. »Ich möchte mit Charru von Mornag gehen.«
    »Und warum?«
    »Er ist stark. Er ist gerecht. Niemand braucht vor ihm Angst zu haben.«
    Der Junge hatte sich aufgerichtet. Eine fast kindliche Begeisterung belebte sein blasses Gesicht. Für ihn, begriff Jessardin, war die Katastrophe zugleich eine Offenbarung gewesen, hatte ihn vom Bann einer lebenslangen Furcht befreit und ihm gezeigt...
    Was gezeigt?
    Eine Welt ohne Terror und Gewalt? Das war es nicht, denn Charru von Mornags Barbarenstämme lebten nicht in Frieden. Oder doch? Untereinander? Und solange man sie nicht zwang, sich zu wehren?
    Haarspaltereien, dachte Jessardin ungeduldig.
    Er hatte mit dem Gedanken gespielt, den Akolythen freizulassen und nach einer Verständigungsmöglichkeit mit den Priestern zu suchen, falls es Conal Nord nicht gelang, sich mit Charru von Mornag zu verständigen. Aber der Gedanke ließ sich nicht in die Tat umsetzen. Dieser Junge würde nicht mehr Bar Nergal folgen, sondern dem schwarzhaarigen Barbarenhäuptling.
    Zwei Wachmänner brachten den Gefangenen in die Klinik zurück.
    Simon Jessardin blieb reglos sitzen, die Fingerspitzen aneinandergelegt, mit geschlossenen Augen. Seine Gedanken kreisten. Was würde geschehen, wenn Nord keinen Erfolg hatte? Die Zerstörung von Alt-Kadnos? Auf jeden Fall würde der moralische Schaden nicht wieder gut zu machen sein. Jessardin dachte an die Argumente, die Conal Nord seinerzeit vor dem Rat benutzt hatte, als er den Aufbau eines zweiten Projekts Mondstein für die Venus ablehnte.
    Das Projekt bedeutete Krieg.
    Blutigen, grausamen Krieg. Das Leiden von Menschen, die in eine winzige Spielzeugwelt verbannt und außerhalb der Gesetze gestellt worden waren.
    Krieg als Anschauungsunterricht. Mit welchem Recht? Aufgrund welcher Moral - es sei denn einer doppelten?
    Jessardin seufzte.
    Möglich, daß der Venusier die Dinge richtig gesehen hatte. Jetzt spielte es keine Rolle mehr. Jetzt ging es nur noch darum, der realen Gefahr zu begegnen, die vor den Toren von Kadnos lauerte wie der unheimliche Keim einer Seuche.
    *
    Lange blickten sie dem Schiff nach, das allmählich zu einem leuchtenden Punkt am Himmel wurde.
    Sie hatten es aufsteigen sehen. Wie unendlich fern mußte es schon jetzt sein! Und es konnte noch weiter reisen: In die Tiefe des Raums, zu den winzigen, glimmenden Punkten, die Sterne waren, vielleicht dem Mars glichen, vielleicht Leben trugen.
    Und vielleicht, dachte Camelo, gab es irgendwo in diesem fernen, lockenden Gefunkel auch Sterne, die niemandem gehörten. Sterne, die darauf warteten, bewohnt zu werden...
    Er sprach den Gedanken nicht aus.
    Es war ein Traum, und sie hatten keine Zeit für Träume. Nicht jetzt. Später vielleicht, wenn sie einen Platz zum Überleben gefunden hatten. Heute nacht zählten nur die nackten Notwendigkeiten. Die Klinik. Zwanzig Männer, Frauen und Kinder, die zum Tode verurteilt waren. Die beiden Gestalten, die da aus dem Gewirr von Hell und Dunkel auf sie zukamen, Menschen dieser Welt, eine reale Bedrohung.
    Auch Charru hatte sie gesehen.
    Er biß die Zähne zusammen. Sein Blick zuckte umher, dann wies er auf den Platz neben der Treppe, die sie eben heruntergekommen waren. Mit ein paar lautlosen Schritten erreichten die Terraner den dunklen Winkel und duckten sich tief in den Schatten.
    Charrus Faust umspannte den Schwertgriff.
    Gleichzeitig spürte er das Lasergewehr, das an seiner linken Schulter hing: Glattes Metall, das die Wärme seiner nackten Haut angenommen hatte. Er wußte, daß er diese Waffe nur benutzen würde, wenn man ihn zwang. Eine schmutzige Waffe, die aus der Ferne tötete und dem Gegner keine Chance ließ. Aber ihre Feinde würden auch den gefangenen Terranern keine Chance lassen. Der Tod, den sie im Labyrinth der Liquidationszentrale

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