Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats
Herrn über uns alle machen. Aber die schwarzen Götter existieren nicht, Mircea Shar. Es gibt keinen göttlichen Willen, den Bar Nergal auslegen könnte, also gibt es auch keine Rechtfertigung mehr für seine Tyrannei.«
»Er ist der Oberpriester... «
»Wessen Priester?« Charrus Blick ließ den anderen nicht los - ein zwingender Blick. »Wenn du weißt, daß es keine schwarzen Götter gibt, dann mußt du auch wissen, daß Bar Nergal euch nicht führen kann, solange er seinen Wahnvorstellungen gehorcht statt seinem Gewissen. Und dann weißt du auch, daß Ayno nicht wirklich ein Verräter ist, weil es nichts gibt, das er hätte verraten können. Du hast es gewußt, nicht wahr? Warum hast du trotzdem zugelassen, daß sie ihn umbringen wollten?«
Der Tempglhüter schwieg.
Ein sehr langes Schweigen. Sein Gesicht war fahl, und sekundenlang hatte Charru das Gefühl, als schwanke der andere wie unter einem schweren Gewicht, das ihn niederdrückte.
Als er sprach, klang seine Stimme tonlos. »Es ist wahr. Er hatte nicht Bar Nergal, sondern den Göttern Gehorsam geschworen.«
»Wie ihr alle! Und jetzt, Mircea Shar? Du schuldest Bar Nergal nichts, aber du schuldest den Tempeltal-Leuten etwas. Du mußt verhindern, daß Bar Nergal sie ins Verderben führt.«
Mircea Shars Lippen zuckten. »Führt er sie denn ins Verderben? Sie würden immerhin am Leben bleiben, wenn sie sich den Marsianern ergäben. Euer Kampf ist nicht ihrer! Wir schulden auch euch nichts, wir... «
Er stockte abrupt.
Schweiß glänzte auf seiner Stirn, sekundenlang schwankte er wie unter einem Schwächeanfall. Charru runzelte die Stirn, aber der Tempelhüter sprach bereits weiter.
»Doch«, sagte er mit einem bitteren Lächeln. »Ich vergaß, daß wir euch unser Leben schulden. Wenn die Tiefland-Stämme nicht immer wieder gekämpft hätten, wären wir längst tot, dann wären die Marsianer gar nicht auf den Gedanken gekommen, uns unser Leben gegen die Unterwerfung anzubieten.« Er stockte und tastete haltsuchend nach einem Felsblock. »letzt haben wir wohl kein Recht, euch unseren Willen aufzuzwingen«, fuhr er fort. »Und allein könnt ihr uns nicht gehen lassen. Bar Nergal würde euch sofort verraten.«
Charru nickte. Er spürte, wie schwer der Kampf war, den der andere mit sich ausfocht.
»Was wirst du tun, Mircea Shar?« fragte er leise.
»Ich muß es ihnen sagen... Sie müssen begreifen, daß es keine Götter mehr gibt, damit sie verstehen können, was mit ihnen geschieht. Und wenn sie es verstehen... vielleicht wollen sie dann gar nicht mehr -zurück in den Kerker... «
Seine Stimme versiegte.
Er schwankte, taumelte mit verzerrtem Gesicht gegen den Felsen. Charru trat rasch neben ihn, ergriff seinen Arm und stützte ihn.
»Was ist los? Bist du krank?«
Der Tempelhüter schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nichts. Laß mich... Ich muß zurück zu den anderen.«
Er holte tief Atem und straffte sich.
Rasch wandte er sich ab und schritt durch die grasbewachsene Mulde auf den Eingang der Schlucht zu. Seine Bewegungen wirkten abgehackt, die Schultern verkrampft. Irgend etwas stimmte nicht mit ihm, aber Charru kam nicht dazu, darüber nachzugrübeln.
Jemand rief seinen Namen.
Als er sich umdrehte, sah er Gillon auf sich zukommen, eilig, mit dem deutlichen Ausdruck von Sorge in den zusammengekniffenen grünen Augen.
»Katalin ist krank«, sagte der Tarether knapp. »Und es sieht so aus, als ob es ziemlich schlimm wäre.«
IV.
Der kleine Raum mit der Schlafmulde wurde von einer der wenigen Fackeln erhellt.
Gerinth hielt sie in der Faust. Die rötlichen Reflexe huschten über sein weißes Haar, über die Metallwände der Kabine, über Katalins bleiches, schweißbedecktes Gesicht mit den fiebrigen Augen. Indred von Dalarme kniete neben ihr, eine der älteren Tiefland-Frauen, die sich auf Krankheiten verstand. In ihrem braunen, zerfurchten Gesicht leuchteten die Augen hell und durchscheinend wie klares Quellwasser - Augen voller Sorge.
Sanft strich sie Katalin das Haar aus der Stirn, bevor sie aufstand. Ihre Stimme klang leise, fast flüsternd.
»Ich weiß nicht, was es ist, Fürst, Fieber, Schwäche... Und etwas, was ich manchmal bei schwerverwundeten Männern gesehen habe - als ob der Körper plötzlich aufhört, sich zu wehren, als ob etwas tief im Innern zusammenbricht... «
Charru wußte, was sie meinte.
Auch er hatte Menschen an Verletzungen sterben sehen, die eigentlich nicht tödlich hätten sein dürfen. Aber Katalin war nicht
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