Söhne der Erde 11 - Die Katakomben von Luna
Griffleiste entlang. Und dann, noch innerhalb des Frachtraums, schien von einer Sekunde zur anderen ein unsichtbares Tonnengewicht auf sie herabzufallen. Das computergesteuerte Kontrollsystem hatte die Abriegelung aufgehoben.
Die Schwerkraft war wieder da. Charru schaffte es, auf den Füßen zu landen, fing Shaara auf und schob sie vorsichtig weiter.
In dem kurzen, beleuchteten Gang lagen die vier Toten in verrenkter Haltung am Boden.
Sekunden später schwang das Schott der zweiten Schleusenkammer auf, und Beryl und Brass erschienen. Die Kontrollen hatten ihnen verraten, daß der Schaden behoben war. Ihre Gesichter wirkten blaß. Es gab keinen Grund zum Triumph. Vier Menschen waren wegen eines geringfügigen technischen Defekts gestorben - und Charru wagte nicht, daran zu denken, daß zum Beispiel bei der Landung noch viel schwerwiegendere technische Defekte auftreten konnten.
Fast widerstrebend legte er den Raumanzug ab.
Die Anstrengung der letzten zwei Stunden hatte ihn daran gehindert nachzudenken, jetzt empfand er fast körperlich die niedergedrückte Stimmung. Er fühlte sich erschöpft und ausgebrannt. Gerinth spürte es und übernahm das Reden. Sie mußten eine Möglichkeit finden, die Toten zu bestatten. Eine Möglichkeit, die es innerhalb des Schiffs nicht gab.
»Wir werden sie im Weltraum bestatten«, sagte der alte Mann ruhig.
»Nein!« widersprach Gren Kjelland rauh. »Das wäre, als ob wir...«
Er stockte, weil er die richtigen Worte nicht fand. Lara Nord sah von einem zum anderen und schluckte.
»Das muß so sein«, sagte sie leise. »Menschen in Raumschiffen haben es immer so gemacht. Und ist es nicht gut so? Ist es nicht richtig, daß das All die Toten aufnimmt, die zu den Sternen fliegen wollten?«
Für einen Moment blieb es still.
Lara kämpfte gegen einen Schauer, weil sie selbst nicht wußte, was ihr diese Worte eingegeben hatten, die ihrer Denkweise im Grunde fremd waren. Gren Kjelland starrte sie an. Für ihn war sie eine Fremde gewesen, die er nicht verstand, die er nur akzeptierte, weil er dem Urteilsvermögen des Fürsten von Mornag vertraute.
Jetzt spürte er überrascht, daß sie begriff, was ihn bewegte. Daß sie fremd war, aber keine andere Art von Mensch, und daß er sich geirrt hatte.
Er nickte langsam.
»Gut«, sagte er. »Dann soll es so sein.« Und nach einem kurzen Zögern: »Vielleicht wäre es richtig, wenn Gerinth und Scollon es tun würden.«
Genauso geschah es.
Die beiden Männer mußten die Raumanzüge anlegen, aber es war nicht schwer, die Toten in die Schleuse zu schaffen und die Ausstiegsluke zu öffnen, um die Körper hinaus in Leere und Dunkelheit zu schicken. Für die Tiefland-Stämme hatte der Vorgang eine beklemmende Ähnlichkeit mit dem alten Zeremoniell der Priester, die ihre Toten in der Welt unter dem Mondstein auf Flößen den dunklen Fluß hinunter in die vermeintliche Ewigkeit geschickt hatten. Auch die Tempeltal-Leute fühlten sich daran erinnert, doch für sie hatte diese Erinnerung etwas Tröstliches. Nur die Tröstlichkeit des Vertrauten, wie Charru sich klarmachte. Die Priester ließen sich nicht sehen. Und niemand, auch nicht die Angehörigen der Toten, waren auf den Gedanken gekommen, sie zu rufen. Der Glaube an die schwarzen Götzen war damals in der Dunkelheit des Göttertors zerbrochen, als Charru sein Schwert in die Brust eines sterblichen marsianischen Wachmanns bohrte. Aber für die Tempeltal-Leute war der zerbrochene Glaube kein Verlust gewesen, sondern die Befreiung von einer jahrhundertealten grausamen Schreckensherrschaft.
Gerinth und Scollon kamen zurück und legten die Raumanzüge wieder ab.
Shaara war erschöpft, sie benötigte dringend Ruhe. Lara ging mit ihr, um ihr ein Medikament zu geben, das rasch Entspannung bringen Würde. Genau wie die meisten Terraner hegte auch Shaara ein tiefes Mißtrauen gegen die Drogen der Marsianer. Aber sie wurde gebraucht, und sie sah ein, daß sie den anderen in ihrem augenblicklichen Zustand nichts nützen konnte.
Charru, Beryl und Gerinth fuhren wieder in die Kanzel hinauf.
Camelo und Gillon hielten dort die Stellung. Auch Jarlon war da. Er hatte in der Kanzel nichts zu suchen - eine grundsätzliche Anweisung, weil es einfach nicht anging, daß hier, wo die große Sichtkuppel einen atemberaubenden Ausblick in die Welt der Sterne gestattete, ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Aber das fiel Charru erst wieder ein, als er das schuldbewußte Gesicht seines Bruders bemerkte.
»Ich
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