Söhne der Erde 11 - Die Katakomben von Luna
wollte es so gern sehen«, sagte Jarlon. »Die Erde! Man kann sie schon erkennen! Und sogar ein Stück von Luna dahinter und... «
»Glaubst du, alle anderen würden es weniger gern sehen?« fragte Charru.
»Eben deshalb! In dem ganzen Schiff kann man nur da hinaussehen, wo man nicht soll, nämlich hier und in der Gefechtsstation. Ich dachte, vielleicht könnt ihr eine Ausnahme machen. Für Malin und Brent vor allem. Und. für Dayel und Robin. Camelo könnte Robin alles genauso erklären, als ob er es selbst sähe.«
Charru mußte lächeln. Er wußte, daß Jarlon es aufrichtig meinte. Brent und Malin konnte eine Ablenkung nur guttun. Der kleine Robin in seiner dunklen Welt brauchte Hilfe, weil er nicht über Mariels Tod hinwegkam. Und daß sich zwischen dem wilden, hitzköpfigen Jarlon von Mornag und dem Akolythen Dayel so etwas wie die ersten fadendünnen Fühler einer Freundschaft gebildet hatte, das war für die Zukunft, die gemeinsame Zukunft von Tiefland-Stämmen und Tempeltal-Leuten, vielleicht bedeutsamer als Hunderte von Worten.
»Hol sie her«, sagte Charru. »Und bring Derek, Jerle und die Tarether mit. Warum schließlich nicht, solange ihr hier nicht die Schlacht um die Große Mauer spielt. «
Jarlons Augen funkelten auf.
Ein paar Minuten später war die Kanzel überfüllt von Kindern und jungen Leuten. Stumm und wie verzaubert starrten sie durch den Sichtschirm, nahmen den Anblick der düsteren bläulichen Kugel in sich auf, die vor ihnen im Raum schwamm. Die Erde! Der blaue Planet - Ziel aller Hoffnungen, Erfüllung der Träume. Sie war die versprochene Heimat, das verheißene Land, und den Kindern fiel es leicht, das Wissen zu verdrängen, daß sie kein Paradies war.
Robin stand still da, die blinden Augen weit geöffnet, und lauschte Camelos Beschreibungen.
Den Beschreibungen des Sängers, für den alle Dinge ihren eigenen Zauber hatten. Camelos Worte verschleierten die Gefahr nicht, aber sie gaben ihr zugleich die Lockung unbekannter Wunder. Nicht nur Robin hörte ihm gebannt zu. Malin und Brent hielten sich an den Händen und blickten in die Dunkelheit, die in diesen Sekunden keine Drohung war, sondern ein Versprechen. Derek, zwölf Jahre alt und als einziger seiner Familie am Leben geblieben, hatte seine gewohnte kriegerische Haltung aufgegeben und konnte nur noch staunen. Hinter ihm drängten sich stumm die rothaarigen, grünäugigen Tareth-Kinder. Dayel und Jarlon wechselten leuchtende Blicke, und selbst Charru vergaß für ein paar Sekunden die drohenden Gefahren über die Gewißheit, dem Ziel so nahe zu sein.
Es war Beryl, dessen gedämpfter Zuruf ihn in die Wirklichkeit zurückhalte.
Der schlanke, drahtige Tiefland-Krieger stand über ein Kontrollpunkt gebeugt. Ein rotes Lämpchen flackerte. Beryl runzelte die Stirn und fuhr sich ratlos mit allen fünf Fingern durch das helle Haar.
»Das ist das Funkgerät«, sagte er. »Jemand versucht, uns zu erreichen. Jemand von außen. Aber ich begreife nicht... «
»Die marsianische Mondstation«, vermutete Charru.
»Um uns aufzufordern, uns freundlicherweise selbst in die Luft zu sprengen?« fragte Beryl sarkastisch.
»Na, ist ja auch egal! Wir können es uns immerhin anhören. « Er streifte den Kopfhörer über.
Charru gab Jarlon einen Wink, und die Versammlung zog sich rasch aus der Kanzel zurück. Beryl lauschte angestrengt und schüttelte nach einer Weile den Kopf.
»Ich kriege ein Signal; aber ich kann nichts hören«, sagte er gepreßt. »Das muß auf diese Entfernung irgendwie anders funktionieren. «
Camelo hatte bereits den Kommunikator eingeschaltet. Seine Stimme klang ruhig. »Kanzel an Lazarett. Lara, kannst du mich hören?«
Ihr Gesicht erschien auf dem Monitor. »Ja?«
» Beryl glaubt, er bekommt einen Funkspruch herein. Aber er kann nur das Signal und nicht den Inhalt hören. Wenn du nicht zufällig weißt, wie man das ändert, mußt du Shaara wecken, damit sie den Computer fragt. «
»Ich weiß es. Ich komme.«
Zwei Minuten später betrat Lara die Kanzel.
Sie verstand genug von Funktechnik, da sie nach ihrer Ausbildung zur Ärztin ein Ergänzungsstudium mit dem Spezialgebiet Weltraum-Medizin begonnen hatte. Der Funkspruch kam über ein leistungsstarkes Laser-Gerät, wie es heutzutage Entfernungen zwischen Planeten überbrücken konnte und zur Entstehungszeit der »Terra« immerhin schon in der Entwicklung gewesen war. Die Funkanlage des Schiffs mußte lediglich entsprechend aktiviert werden. Und der Empfänger
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