Söhne der Erde 13 - Der Tod Am Meer
geträumt, seit sie wußten, daß sie existierte. Er war der erste gewesen, der bei ihrer Flucht durch die endlosen roten Wüsten des Mars in den nächtlichen Himmel sah und fragte, ob wohl auch sie zu den Sternen fliegen könnten. Damals hatte niemand daran geglaubt. Und jetzt waren sie am Ziel.
»Laß dir von Shaara die Koordinaten des Raumhafens geben«, schloß Charru. »Wenn du ihn erst einmal siehst, wird die Landung jedenfalls einfacher sein als damals in dem Mondkrater.«
Camelo atmete tief durch.
»Aye«, sagte er nur.
Daß die Landung trotz allem gefährlich werden würde und daß sie mehr Glück brauchten, als sie eigentlich erhoffen durften, wußten sie auch ohne Worte.
*
Zufälle spielten zusammen.
Eine Verkettung unglückseliger Umstände, die später niemand mehr genau zu begreifen vermochte.
Shaara und Jarlon saß noch der Schock des Rattenüberfalls in den Gliedern. Auch Gerinth spähte mit besorgtem Gesicht zu dem langgestreckten, halb eingestürzten Gebäude hinüber, in dessen Mauern Kormak und Erein, Brass und der braunhäutige Yattur verschwunden waren. Wo blieben sie so lange? Hatten sie irgend etwas entdeckt? Oder hatte etwas sie entdeckt - etwas oder jemand?
Jarlon stieß scharf die Luft durch die Zähne, als er Ereins rotes Haar im Schatten auftauchen sah.
Der Tarether winkte. Sie hatten in der Tat etwas entdeckt: eine Art Hangar, vollgestopft mit fremdartigen Fahrzeugen, die nur zum Teil zerstört waren. Shaara setzte sich schon in Bewegung, um zu Erein hinüberzulaufen. Gerinth folgte ihr langsam. Nur Jarlon blieb zurück. Prüfend warf er einen Blick über die Schulter. Aber Schaoli hatte das Schott der Luke hinter sich angelehnt, und der junge Mann konnte nicht erkennen, daß es nicht mehr ganz geschlossen war.
Ein paar Minuten später hörte er den rhythmischen Pfeifton des Funkgeräts.
Karstein, dachte er.
Rasch wandte er sich ab, ging auf das Beiboot zu und runzelte die Stirn, als er die Luke einen Spaltbreit offen fand.
»Schaoli?«
Jarlon war sich nicht bewußt, daß er den Namen laut hervorstieß. Er starrte auf den leeren Sitz, sah sich im Boot um. Das drängende akustische Signal des Funkgeräts drang kaum mehr in sein Bewußtsein. Mit einem Sprung stand er wieder auf dem glatten grauen Betonboden, hastete zur anderen Seite des Beiboots und schaute sich um.
Die Sonne senkte sich bereits im Westen, ließ den wehenden Staub golden aufleuchten und warf die langen Schatten der Ruinen über das weite Areal. Jarlon kniff die Augen zusammen.
Sein Herz schlug schwer gegen die Rippen. Schaoli, hämmerte es in ihm - und dann sah er sie.
Eine kleine Gestalt, taumelnd und verloren am Rand des endlosen Betonfeldes.
Sie bewegte sich auf das Ruinengebiet zu, das den Raumhafen vom Meer trennte. Längst war sie zu weit entfernt, als daß sie einen Ruf hätte hören können. Und in den nächsten Minuten würde sie die ersten zerstörten Gebäude erreichen, würde im unübersichtlichen Gewirr der Trümmer verschwinden.
Jarlon rannte los, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen.
Der silberne Umriß der Landefähre verdeckte ihn. Gerinth, Shaara und Erein, die sich nach ihm umsahen, glaubten ihn im Boot bei Schaoli. Sie konnten nichts anderes glauben, hatten keinen Grund, mit einer Gefahr zu rechnen - nicht auf dem offenen Raumhafengelände, das mit Ausnahme dieses einen toten Winkels so völlig übersichtlich war.
Jarlon konzentrierte sich mit jeder Faser darauf, Schaoli einzuholen, bevor sie den Rand der Trümmerwüste erreichte.
Die Sohlen seiner geschnürten ledernen Sandalen klatschten auf dem harten Beton. Ohne nachzudenken verfiel er in den raumgreifenden, gleichmäßigen Wolfstrab der Steppenbewohner, den er stundenlang durchhalten konnte, wenn es nötig war. Der Abstand zwischen ihm und der kleinen Gestalt schmolz rasch zusammen. Sein Blick tastete die Winkel und Schlupflöcher zwischen den Ruinen ab, bohrte sich in den drohenden Schatten. Wie ein Stich ins Hirn traf ihn die Erkenntnis, daß er besser daran getan hätte, nach den anderen zu rufen und sich ein Lasergewehr zu beschaffen. Jetzt war es zu spät. Schaoli stolperte fast, kletterte über die ersten Trümmer, wich einem Gewirr aus verschmorten Kunststoffteilen aus. Jarlon sah das helle, feine Haar im Wind wehen. Jetzt mußte sie ihn hören.
»Schaoli!« schrie er, so laut er konnte. »Schaoli! Bleib stehen!«
Sie reagierte nicht.
Jarlon biß die Zähne zusammen und rannte weiter. Er hatte aufgeholt.
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