Söhne der Erde 14 - Das verheißene Land
deretwegen in den Wäldern Afrikas eine ganze Rasse als Gefangene in unterirdischen Höhlen leben mußte. Er wußte auch, was Nervengas war, und er hatte eine ungefähre Vorstellung von den Verheerungen, die chemische Kampfstoffe anrichten konnten. Vor zweitausend Jahren hatten die Menschen, die jenen letzten Verzweiflungskampf gegen die Invasoren führen sollten, vielleicht Möglichkeiten gehabt, sich selbst zu schützen. Heute gab es kein Mittel gegen das Vernichtungspotiental, das in den Kellerlöchern der Ruinen schlummerte.
»Wir müssen die Priester warnen«, sagte Charru tonlos.
Karstein warf den Kopf hoch. »Sie würden uns nicht glauben, das weißt du! Niemals!«
»Dann müssen wir wenigstens Klarheit haben. Lara - gibt es irgendeine Möglichkeit festzustellen, ob tatsächlich Sprengkörper mit Nervengas oder biologischen Kampfstoffen in den Ruinen um den Raumhafen existieren?«
Lara biß sich auf die Lippen.
»Bestimmt sind sie nicht so offen gelagert worden wie die Granaten«, meinte sie zögernd. »Ich glaube auch nicht, daß die Informationen darüber in den Computern des Kontrollturms oder der Verwaltungsgebäude gespeichert worden sind.«
»Und wo sonst?«
»Ich nehme an, daß es eine geheime Kommando-Zentrale gegeben hat. Auf irgendeine Weise muß sie mit der Außenwelt verbunden gewesen sein, über die Computer der Raumhafen-Verwaltung zum Beispiel. Wir kennen die Ruine des Towers. Vielleicht finden wir die richtige Spur, wenn wir dort zu suchen beginnen.«
»Und die Priester?« fragte Camelo gedehnt. »Mit den Waffen, die sie jetzt haben, sind sie ernsthafte Gegner. Freiwillig werden sie uns bestimmt nicht in der Nähe ihres Schlupfwinkels dulden.«
Charru zuckte die Achseln. »Erstens ist es dunkel, zweitens dürfte Bar Nergal im Augenblick hinreichend abgelenkt sein. Ich nehme an, er läßt sich von Charilan-Chi und ihren Kriegerinnen über den Erfolg des Überfalls berichten. - Shaara, du wirst uns begleiten müssen für den Fall, daß wir tatsächlich mit einem Computer zu tun bekommen. Glaubst du, daß du es schaffst, die richtigen Fragen einzuprogrammieren?«
Das schmale, dunkle Mädchen mit den schwarzen Augen war ruhig aus dem Kreis der anderen getreten. »Wenn Lara mir hilft - ja.«
»Also gut, du und Lara, außerdem Beryl, Hasco und Jerle. Eine zweite Gruppe wird euch den Rücken decken. Ich glaube nicht, daß die Priester scharf darauf sind, ihre neuen Waffen eigenhändig zu benutzen, aber wir wollen kein Risiko eingehen. Yattur ...«
Er stockte abrupt.
Sein Blick war zu dem Felsen gewandert, an dem Yarsols ältester Sohn eben noch schweigend und mit verschränkten Armen gelehnt hatte, das Gesicht zu einer Maske versteinert. Jetzt war der Platz leer, und Yattur stand auch nicht im Kreis seiner Gefährten.
Charrus Magenmuskeln zogen sich zusammen.
Er sah Yurrai an. Der junge Mann hatte sich erschrocken umgeblickt, nun warf er mit einem Ruck das lockige blauschwarze Haar zurück.
Seine Stimme klirrte. »Yabu, schau in den Hütten nach! Yannay, du läufst zur Bucht hinunter.«
Die Brüder setzten sich in Bewegung.
Yabu kam rasch zurück. Charru ahnte bereits, was er hören würde, und auch die Fischer schienen es zu wissen. Yattur war verschwunden. Er hatte seinen Kampfbogen mitgenommen, einen Vorrat an Pfeilen, und niemand, der ihn kannte, glaubte daran, daß er sich irgendwohin zurückgezogen habe, um zu trauern.
»Was wird er tun?« fragte Charru in die Stille.
Es war Yabu, der die Antwort gab. Seine hellen Augen glänzten.
»Er wird versuchen, Charilan-Chi zu töten. Er wird endlich Rache nehmen - nach all den Jahren, die wir vor den Ratten gezittert haben. Yattur war Charilan-Chis Sklave und ist entkommen. Er fürchtet sie nicht mehr.«
»Aber das ist doch Wahnsinn!« sagte Camelo gepreßt. »Er hat keine Chance. Und es wäre sinnlos, Charilan-Chi zu töten. Es würde nur neuen Haß und neue Gewalt heraufbeschwören.«
»Er ist zu Fuß unterwegs«, stellte Charru fest. »Wir werden ihn einholen und ...«
»Nicht, wenn er ein Boot genommen hat«, sagte Yurrai ruhig.
Minuten später wußten sie, daß Yattur tatsächlich in einem Boot unterwegs war.
Eine kleine Nußschale mit Mast und Segel, die der Nordwind sehr schnell an der Küste entlang bis zu der toten Stadt treiben würde. Selbst mit der Landefähre gab es kaum eine Chance, ein so winziges Fahrzeug in der bewegten See zu sichten und herauszufinden, wo genau es an Land ging. Charru warf mit einer heftigen
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