Söhne der Erde 14 - Das verheißene Land
eines ausgedehnten Trümmerfeldes, lag der Eingang von Charilan-Chis Schlupfwinkel und ...
Ein Geräusch unterbrach Yatturs Gedanken.
Ein dumpfes, rumpelndes Geräusch - das Rollen von Rädern. Der Priester, dachte er sofort. Entweder hatte Charilan-Chi ihn besucht, um ihm Bericht zu erstatten, oder er kam, um ihren Bericht zu hören. Yattur glitt bis zu der Stelle, wo die Mauer eines Anbaus rechtwinklig gegen die Reste der Hauswand stieß. Ein Anbau ohne Dach, nicht viel mehr als ein Trümmerwust. Ein riesiges Spinnennetz spannte sich zwischen den Wänden, und Yatturs Augen tasteten unwillkürlich die silbrig schimmernden Fäden ab auf der Suche nach der mutierten Bestie.
Das Rumpeln der Räder näherte sich.
Auch auf dem weiten Trümmerfeld wurde es jetzt zwischen Steinen und wucherndem Unkraut lebendig. Die roten Augen der Ratten glommen in der Dunkelheit. Kriegerinnen richteten sich auf, huschten der Straße zu, und im nächsten Moment erkannte Yattur die schlanke Gestalt, deren goldene Locken das schmale, katzenhafte Gesicht mit den gelben Augen einrahmten und wie eine leuchtende Flut über Schultern und Rücken fielen.
Charilan-Chi.
Drei ihrer Söhne begleiteten sie: Cris mit dem blonden Haar und den Katzenaugen seiner Mutter, Chaka und Che, die Männern aus Yarsols Volk ähnelten. Der Gedanke an seinen Vater ließ Yatturs Zähne knirschen. Von neuem erwachte der Haß. Seine Finger zitterten leicht, als er den Bogen von der Schulter nahm und sich nach einem günstigen Platz umsah.
Die Mauer!
Sie war schmal, vielfach geborsten, aber wenn er ihr Ende erreichte, konnte er sein Ziel nicht mehr verfehlen. Niemand würde auf ihn achten. Charilan-Chi wartete auf die »Götter«, in deren Auftrag sie das Dorf der Fischer hatte überfallen lassen. Ihre Augen glitzerten im ungewissen Mondlicht. Furcht lag in ihrem Blick. Sie hatte gehorcht, aber ihre Kriegerinnen hatten die Aufgabe nicht ganz erfüllt. Yarsols Tod war sicher nicht das einzige und nicht das wichtigste Ziel der Priester gewesen.
Yattur duckte sich tief zusammen und ließ sich über die Kante des Zimmerbodens auf die Mauerkrone gleiten.
Lautlos und geschickt schob er sich vorwärts, den Bogen wieder auf dem Rücken. Nur kurz streifte sein Blick die dicken, klebrigen Seile des Spinnennetzes. Inzwischen konnte er das Fahrzeug sehen, das von einem Rattengespann über das holprige Pflaster gezerrt wurde. Hoch aufgerichtet saß Bar Nergal auf dem Thron, von zwei Priestern begleitet, die zu seinen Füßen hockten. Ein Dutzend Ratten eskortierte ihn, und er ließ einen herrischen Blick über die Abordnung schweifen, die ihn erwartete.
Charilan-Chi verneigte sich tief.
Yattur hatte das Ende der Mauer erreicht und richtete sich auf. Hart gruben sich seine Zähne in die Unterlippe, während er von neuem zu dem leichten Jagdbogen griff. Unter ihm bröckelten ein paar Steine, das schadhafte Mauerwerk ächzte. Er nahm einen Pfeil aus dem Köcher. Während er ihn auf die Sehne legte, das Gesicht zu einer entschlossenen Maske erstarrt, richtete sich Charilan-Chi aus ihrer gebückten Haltung auf.
Zufällig streifte ihr Blick die Mauerkrone.
Ein Ruck ging durch ihre Gestalt. Mit einem wilden, fauchenden Laut hob sie den Arm. Yattur spannte hastig den Bogen - und für eine entscheidende Sekunde vergaß er, daß er ohne festen Halt auf der schmalen Krone einer zerbröckelnden Mauer kauerte.
Knackend brach der Stein, gegen den er den Fuß stemmte.
Sein Knie rutschte ab, der Bogen geriet aus der Richtung. Reflexhaft schoß Yattur den Pfeil, und im selben Moment verlor er das Gleichgewicht und fiel.
Ein gellender Schrei brach über seine Lippen.
Etwas fing ihn auf, federnd, klebrig. Blindlings klammerte sich Yattur irgendwo fest. Die Spinne, durchzuckte es ihn. Er spürte die Fäden reißen, spürte, wie sein Gewicht das Netz nach unten zerrte. Der Boden kam auf ihn zu: eine Wüstenei aus Stahlträgem, Kunststoffresten, den Trümmern des Dachs. Hart prallte er auf, und sekundenlang wurde es dunkel vor seinen Augen.
Halb bewußtlos schlug er um sich.
Die fauchenden Schreie der Katzenfrauen drangen an sein Ohr, das Quieken der Ratten, die Stimme Charilan-Chis, die Befehle gab. Verzweifelt versuchte Yattur, sich loszureißen, und erst nach ein paar Sekunden begriff er, daß er sich hoffnungslos in dem Netz verfangen hatte.
Sein Kopf flog herum.
Ein paar Meter entfernt sah er den schwarzen, behaarten Leib der Riesenspinne. Er wollte schreien, aber seine Lippen
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