Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit
nichts taten, und für Jon Erec konnte es um Minuten gehen. Brass und Camelo zogen Charru an den Armen hoch. Diesmal war sein Stöhnen echt, weil sie ihm in der Aufregung fast die verletzte Schulter ausrenkten. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ er sich zur Tür schleppen, und dann entschied sich alles binnen einer kurzen Sekunde.
»Halt!« befahl der Mann im weißen Kittel scharf.
Charru wurde losgelassen. Während seine Gefährten einen Schritt zurückwichen, taumelte er gegen den Türrahmen und ließ keinen Zweifel daran, daß er im nächsten Moment wieder zusammenbrechen würde. Einer der Fremden senkte fluchend die Waffe. Mit beiden Händen griff er zu, und bei der ersten Berührung erwachte das scheinbar halb ohnmächtige Opfer jäh zum Leben.
Der Fremde fühlte sich gepackt, wurde mit unwiderstehlicher Gewalt durch die Tür in die Stahlzelle geschleudert.
Der zweite Mann begriff viel zu langsam. Ein Tritt riß ihm die Waffe aus den Fingern. Im Bogen flog sie durch die Luft, prallte dröhnend auf den Stahlboden und schlidderte weiter. Mit einem Panthersatz sprang Charru seinen taumelnden Gegner an, beförderte ihn mit einem Fausthieb in die gleiche Richtung und setzte nach. Der Bursche im weißen Kittel war bis an die Wand zurückgewichen. Zitternd griff er nach einem kleinen Gerät an seinem Gürtel, wollte Alarm auslösen, aber da stürmten bereits Karstein, Erein und Brass über die Schwelle.
Eine Minute später lagen drei Bewußtlose in dem stählernen Verlies. Charru bückte sich nach einer der Waffen. Er wußte nicht, wie sie funktionierten und was sie anrichteten, aber er hatte gesehen, an welcher Stelle der Finger des Benutzers lag. Einen Augenblick blieben die Terraner reglos stehen und lauschten. Nichts rührte sich, nirgends gellte eine Alarmsirene. Bisher war ihre Flucht offenbar unbemerkt geblieben.
Charru wies mit dem Kopf auf die drei Bewußtlosen.
»Bringt sie wieder zu sich«, sagte er knapp. »Sie müssen euch verraten, wo die anderen stecken und wie man die Türen öffnet. Camelo und ich schlagen uns zum Kliniktrakt durch. Ihr versucht, den Ausgang zu erreichen und auf der Insel an Bord des Schiffs zu gehen.« Er machte eine Pause und sah Gillon an. »Du übernimmst das Kommando. Legt sofort ab und laßt die Boote zurück, falls noch jemand fehlt.«
»Aber ...«
»Ihr müßt den Bereich verlassen, den die Kerle unter ihr Betäubungsgas setzen können. Wenn ihr das schafft, stehen die Chancen auch für die Zurückgebliebenen besser - falls jemand zurückbleibt.«
»Aye«, sagte Gillon knapp.
Dabei wandte er sich bereits ab, ging in die Zelle zurück und begann, den Mann im weißen Kittel unsanft zu ohrfeigen, um ihn zu wecken. Charru nickte Camelo zu. Schweigend setzten sich die beiden Männer in Bewegung und folgten dem stählernen Gang in der Richtung, die zum Kliniktrakt führte.
Nichts rührte sich vor ihnen. Aber sie ahnten, daß die Stille trügerisch war.
*
Jordan Magner und seine engsten Mitarbeiter hatten sich im Erholungszentrum der unterirdischen Anlage versammelt.
Diesmal trugen sie keine weißen Arbeitskittel, sondern die fantasielosen Einheitsanzüge ihrer Epoche. Dafür perlte Champagner in einem halben Dutzend Kristallgläsern. Fast unerschwinglicher Luxus in einer Zeit des Kunststoffs, der synthetischen Nahrungsmittel, der billigen Psycho-Drogen, die in einer zerstörten, krisengeschüttelten Umwelt die Bevölkerung ruhig hielten.
Jordan Magner lächelte triumphierend, als er sein Glas hob.
»Der Augenblick ist da, meine Herren«, sagte er. »Nicht der Augenblick, aber immerhin der Moment eines letzten, bedeutsamen Schrittes. Wenn das Experiment gelingt, steht der Realisierung des großen Plans nichts mehr im Wege.«
»Das Experiment wird gelingen«, sagte einer der Bio-Chemiker, ein kleiner, dürrer Mann mit silbriger Löwenmähne.
»Es muß gelingen«, bekräftigte ein schlanker Orientale, der noch vor wenigen Jahren zu den berühmtesten Psychologen seiner Zeit gezählt hatte, bevor er zu Jordan Magner stieß. »Auf den Erfolg, meine Herren!«
Die Gläser klirrten.
Magners Augen funkelten. Tief atmend setzte er den Kristallkelch ab und fuhr sich mit der Hand durch das dichte schwarze Haar. »In wenigen Minuten ist es so weit«, stellte er fest. »Gardimer wird uns informieren, sobald das Testobjekt wieder aus der Bewußtlosigkeit erwacht.« Er warf einen Blick zur Uhr und überlegte einen Moment. »Ich denke, wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Die
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