Söhne der Erde 19 - Der Tödliche Ring
die Zähne.
Jenseits der Sichtkuppel verdichtete sich der Dunst. Oder war das immer noch der Schleier, der sich ab und zu vor seine Augen schob, wenn die Übelkeit so heftig wie jetzt wurde? Der Junge zerrte an Dayels Gürtel und fluchte, als ein neuer Windstoß das Boot schüttelte.
Da er den Bordkommunikator lahmgelegt hatte, konnte er nicht ahnen, daß Charru von Mornag in diesen Sekunden wieder und wieder die gleiche Warnung ins Mikrophon sprach. Erst der durchdringende Summton der Ortungsanlage ließ Ciran zusammenzucken. Immer noch waberten Nebelfetzen um das Boot. Der Junge hob den Kopf, kniff die Augen zusammen. Irgendein Hindernis in der Ortung ... Vielleicht eins der anderen Boote, das ihn überholt hatte oder ...
Mit dem nächsten Atemzug schien sich eine kalte Faust um Cirans Herz zu krallen.
Da war nicht nur eine Nebelbank, in die das Beiboot hineinflog. Felsen türmten sich. Spiegelnde Eiswände, schroffe Zacken und Grate, eine weiße Wildnis, über die der Wind fauchte. Mit einem erstickten Laut sprang der Junge auf. Verzweifelt warf er sich über die Kontrollen, schlug die Faust auf die Taste, die zurück auf Handsteuerung schaltete, und dabei sah er die Felsen auf sich zurasen, als stürzten sie auf ihn herab, um ihn zu zermalmen.
Der Warnton der Ortung gellte in seinen Ohren.
Zitternd, von Panik gepeitscht, versuchte er, das Fahrzeug steil hochzuziehen. Zu spät, schrie es in ihm. Er hatte keine Chance mehr, konnte es nicht schaffen. Hilflos schloß er die Augen und preßte die Faust vor den Mund, bis er den schmetternden Anprall spürte, der sein Bewußtsein auslöschte.
Hoch über ihm, in sicherer Entfernung von dem drohenden Bergriesen, hingen die beiden Boote in der Luft, die ihn verfolgt hatten.
Charru spürte nicht, daß er sich die Lippen blutig biß. Neben ihm beugte sich Camelo weit nach vorn, starr vor Schrecken. Karstein fuhr mechanisch mit der Hand durch seinen blonden Bart, das Gesicht zur bleichen Maske verkantet.
»Nein!« stöhnte er. »Ihr Götter ...«
»Geh tiefer!« sagte Camelo tonlos.
Charru war schon dabei, das Fahrzeug nach unten zu drücken. Sein Kiefer schmerzte vor Anspannung, sein Blick hing unverwandt an der Stelle, wo sich die Wolke von aufgewirbeltem Schnee nur langsam senkte. Schon einmal war eins der Fahrzeuge gegen eine Felsenbarriere geprallt. Auch damals hatten es die Insassen heil überstanden. Vielleicht ...
»Da!« flüsterte Camelo. »Sie hängen hinter der Kette aus Felsennadeln fest. Wahrscheinlich haben sie zuerst die Steinzacken gestreift, das muß den Anprall gemildert haben.«
Tatsächlich war das Boot nicht übermäßig schwer beschädigt, so weit es sich aus der Entfernung erkennen ließ. Charru drückte sein Fahrzeug noch tiefer, mit zusammengebissenen Zähnen, weil der heftige Wind ihn zwang, immer wieder den Kurs zu korrigieren. Jarlon, hämmerte es in ihm. Dayel! Zwei Kinder, die niemandem etwas getan hatten!
»Starten können sie bestimmt nicht mehr«, stellte Camelo nach einer Weile fest.
»Und wir können nicht landen«, sagte Karstein rauh. »Hier gibt es weit und breit keine halbwegs ebene Fläche.«
»Wir müssen! Schaut euch um!«
Fast eine halbe Stunde versuchten die Insassen beider Boote verzweifelt und vergeblich, einen wenn auch noch so winzigen Landeplatz zu finden.
Eine halbe Stunde, während der sich in dem havarierten Fahrzeug nichts regte. Die Menschen in der Kanzel waren bewußtlos oder verletzt. Falls sie überhaupt noch lebten.
»Sinnlos!« sagte Camelo gepreßt. »Wir können hier einfach nicht landen. Wir müssen es zu Fuß versuchen, und zwar so schnell wie möglich.«
Charru nickte.
So schnell wie möglich, wiederholte er in Gedanken. In dem havarierten Boot rührte sich immer noch nichts. Die Menschen brauchten Hilfe. Und es waren nicht nur die Naturgewalten, die sie bedrohten. Charru wagte nicht daran zu denken, daß auch in dieser Wildnis vielleicht die geheimnisvollen Yetis lebten, die in Schnee und Eis zu Hause waren.
»Zurück«, befahl er knapp. »Zum Lager! Wenn wir zu Fuß auf diesen Berg wollen, brauchen wir mehr an Ausrüstung, als wir bei uns haben.«
*
Etwa um die gleiche Zeit schwenkten dreißig überschwere Container-Schiffe in eine Umlaufbahn um die Erde. Das Manöver klappte reibungslos. Die mächtigen Schiffe verteilten sich in einem Orbit über dem Äquator. Dreißig Funkgeräte meldeten volle Einsatzbereitschaft an den Kommandokreuzer. Die Operation »Tödlicher Ring« trat in ihre
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