Söhne der Erde 19 - Der Tödliche Ring
die Entwicklung von zweitausend Jahren. Aber in vielen Dingen war die grundsätzliche Funktion gleichgeblieben, mochte die Methode auch noch so sehr revolutioniert worden sein. Antrieb hieß immer noch Antrieb. Die Schaltfolge richtete sich immer noch nach den Prinzipien rationeller Bewegungsabläufe, das Steuerelement verriet sich immer noch durch die charakteristische Anordnung der Kontrollen. Shaara mit ihrem fotografischen Gedächtnis und Beryl mit seiner ausgeprägten technischen Begabung konnten zwar das Schiff nicht fliegen, aber zusammen waren sie immerhin so weit gekommen, daß sie merken würden, wenn der Marsianer ihnen Informationen gab, bei deren Befolgung die »Solaris« zu Bruch gehen drohte.
»Haben Sie die Zeit genutzt, um sich Gedanken über Ihre Zukunft zu machen?« fragte Charru den Marsianer.
Coradi schluckte. »Sie können uns nicht ewig hier gefangenhalten. Man wird das Schiff finden und ...«
»Nicht mit Ortungsstrahlen, dagegen schützt uns der Energieschirm. Und glauben Sie im Ernst, daß man den ganzen Planeten mit Beibooten nach Ihnen absuchen wird?«
Coradi schwieg. Sein resignierender Blick verriet, daß er das ganz und gar nicht glaubte.
»Sie wissen, warum wir die »Solaris« in unsere Hand bringen mussten«, sagte Charru. »Wenn es eure Wissenschaftler tatsächlich schaffen, die Erde unbewohnbar zu machen, müssen wir sie verlassen. Sie können es sich aussuchen, Coradi. Entweder Sie arbeiten mit uns zusammen und bringen uns bei, wie man dieses Schiff fliegt - oder S i e werden es fliegen.«
Der Marsianer schluckte.
Er hatte die ganze Nacht über genau diesem Problem gegrübelt. Es war seine Pflicht, die Barbaren an der Benutzung der »Solaris« zu hindern. Er hätte sich schon weigern müssen, das Schiff überhaupt hier zu landen, den Energieschirm zu aktivieren ...
»Nun?« fragte Charru.
Coradi gab sich einen Ruck. »Sie können mich nicht zwingen.«
»Ich kann«, sagte ihm Charru hart. Sein Blick glitt durch den Sichtschirm nach draußen. »Und ich werde Sie zwingen. Wenn Sie mir nicht glauben - schauen Sie zum Fluß hinunter. Sie können auch einen Rundgang durch das Lager unternehmen, wenn Sie wollen. Mehr als hundert Menschen, Coradi! Frauen und Kinder! Alte und Kranke. Vier von den Frauen sind schwanger. Mein eigener Sohn ist vor zwei Tagen zur Welt gekommen. Schauen Sie sich das alles an, und dann fragen Sie sich, was Sie an meiner Stelle tun würden. Ich glaube, danach werden Sie kaum noch daran zweifeln, daß ich bereit bin, jedes Mittel anzuwenden.«
John Coradi zerrte am Kragen seiner schwarzen Uniform. Wie unter einem Zwang irrte sein Blick zu dem Schwert an Charrus Gürtel.
»Und - wenn ich einverstanden bin? Wenn wir euch helfen?«
»Dann bekommt ihr, falls wir die Erde tatsächlich verlassen müssen, ein Beiboot mit Funk, damit ihr eure Leute erreichen könnt. Wir werden euch nur mitschleppen, wenn ihr uns keine andere Wahl laßt. Also?«
»Und wer garantiert uns, daß ihr euer Wort haltet? Daß ihr uns nicht ...«
Coradi stockte und biß sich auf die Lippen. Die flackernde Angst in sein Augen verriet, was er hatte sagen wollen und nicht auszusprechen wagte.
»Daß wir euch nicht umbringen, damit niemand erfährt, daß wir die Erde verlassen haben?« vollendete Charru. »Wir sind keine Mörder, Coradi. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie sich an das erinnern, was Sie über das Projekt Mondstein wissen. Die sogenannte Friedensforschung ist doch ein Pflichtfach an euren Universitäten, oder? Also müßten Sie ungefähr wissen, was unser Ehrenwort wert ist.«
Der Marsianer senkte den Kopf.
»Einverstanden«, murmelte er. »Ich - habe wohl keine Wahl.«
»Richtig.« Charru zögerte. »Noch etwas, Coradi. Wieviele marsianische Schiffe sind noch im Orbit um die Erde?«
»Ich - ich weiß es nicht.«
»Haben Sie eine Möglichkeit, es herauszufinden?«
»Aber warum ...?«
»Weil wir ein Beiboot in die Atmosphäre schicken wollen, um dort den Kohlendioxyd-Gehalt zu messen. Und weil wir vermeiden möchten, daß es abgeschossen wird. Wenn das passiert, wird uns nämlich nichts anderes übrigbleiben, als den zweiten Versuch mit der »Solaris« zu unternehmen und notfalls deren Waffen zu benutzen, um uns zu wehren.«
Die bloße Vorstellung genügte, um alles Blut aus dem Gesicht des Marsianers weichen zu lassen.
Diesmal behauptete er nicht, man könne ihn nicht zwingen. Er schluckte krampfhaft und befeuchtete seine trockenen Lippen mit der Zunge.
»Ich
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