Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen
wäre, nach Ablauf des Ultimatums dieses ganze Rebellennest mit Schockstrahlen bestreichen zu lassen?« fragte er scharf.
»Es ist mir klar. « Mark konnte nicht verhindern, daß seine Stimme vibrierte.
»Ich lege allerdings wenig Wert darauf, ein Massaker anzurichten.« Kane lehnte sich zurück und atmete tief durch. »Sie werden sich über einen der Lautsprecher an Ihre Leute wenden, Nord. Machen Sie ihnen klar, daß Sie tatsächlich kapituliert haben.«
Mark wandte sich seinem Gefährten zu und hob fragend die Brauen. Charru sah Manns Kane an - und diesmal konnte der General dem Blick der harten saphirblauen Augen nicht ausweichen.
Flüchtig kam ihm in den Sinn, daß dieser Mann in der Mondstein-Welt schon als Zwanzigjähriger ein ganzes Volk geführt hatte. Lara Nord, die Tochter des Generalgouverneurs der Venus war ihm auf die Erde gefolgt und an seiner Seite geblieben, bis ein marsianischer Offizier sie als Geisel verschleppte. jetzt stand sie in Kadnos wieder unter dem Schutz ihres Vaters. Sie und das Kind, das sie von dem Barbaren hatte.
»Was ist noch?« fragte Kane.
Auch seine Stimme klang unmerklich rauh. In der Haltung der schlanken bronzenen Gestalt mit dem schulterlangen schwarzen Haar und den durchdringend blauen Augen lag etwas, das ihn irritierte.
»Wir haben Verwundete«, sagte Charru langsam. »Was geschieht mit ihnen?«
»Wollen Sie Bedingungen stellen?«
Kane zog die Brauen hoch. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. Er war ein kühler, rationell denkender Marsianer. Logik bestimmte sein Handeln, Gefühle gestattete er sich nicht. Kein Mitleid - aber auch kein rachsüchtiges Vergnügen an der Demütigung eines geschlagenen Gegners.
»Ich weiß, daß ich keine Bedingungen stellen kann«, sagte Charru. »Aber ich habe erlebt, daß die marsianischen Behörden verwundete Gefangene einfach umbringen lassen. Ich will nur wissen, was geschehen wird. «
»Merkur steht unter Kriegsrecht«, sagte General Kane knapp. »Das Kriegsrecht sieht eine Liquidierung von Verwundeten nicht vor. - Nord?«
Der Venusier preßte die Lippen zusammen. Er wußte genau wie Charru, daß sie so oder so keine Wahl gehabt hätten.
»Gut«, sagte Mark leise. »Ich werde tun, was Sie vorschlagen.«
*
Beryl wußte nicht mehr, wie oft er gestürzt war, wie oft er die mühsam erkämpfte Strecke zurückgerutscht, wie lange er bewußtlos oder benommen liegengeblieben war.
Das Funkgerät der Rettungskapsel bestand aus bizarren Fetzen. Fast alles an dem Flugkörper bestand aus solchen Fetzen mit Ausnahme der gepanzerten Hülle, die das Ende der »Solaris« und das unkontrollierte Eintauchen in die Atmosphäre überstanden und selbst bei dem mörderischen Aufprall zumindest Beryls Leben gerettet hatte. Die Fetzen der Isolierdecken reichten immerhin noch als Schutz gegen die eisige Kälte. Ein paar Überlebens-Rationen waren übriggeblieben, ein Nachtsicht-Gerät, eine Notsignal-Pistole. Beryl hatte sein verletztes Knie geschient und mit dem medizinischen Schaum besprüht, der in Minutenschnelle steinhart wurde. Er hatte reichlich infektionshemmende und kreislaufstabilisierende Medikamente geschluckt und sehr sparsam Schmerzmittel, weil er seinen klaren Kopf bewahren wollte. Auf das Verschießen der Notsignale verzichtete er. Die Lage war zu unklar. Er wußte nicht, wieviel Zeit in seinem Gedächtnis fehlte, und er wollte erst feststellen, was inzwischen geschehen war.
Mühsam zog er sich höher, fand Halt auf einem Felsen und musterte die Bergflanke, die noch vor ihm lag.
Auf dem Gipfel würde er die Ebene und die Felsenwildnis überblicken können, unter der das Höhlensystem lag. Hart biß er die Zähne zusammen. Wenn er sich umblickte, sah er die verstreuten Trümmer der Rettungskapsel. Und Hank Scanners Grab. Beryl hatte den Leichnam vorerst mit Steinen bedeckt, damit die Echsen nicht an ihn herankamen.
Die Echsen...
Dem blonden Tiefland-Krieger rann ein Schauer über den Rücken, als er an die monströsen Bestien dachte, deren Herden die Ebene bevölkerten. Falls die Rettungskapsel Waffen enthalten hatte, mußten sie zu unkenntlichen Metallklumpen verschmort sein. Aber im allgemeinen wichen die Echsen den Menschen ohnehin aus. Beryl schüttelte die jähe Regung der Furcht ab und kletterte weiter.
Ihm schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, als er die Bergkuppe erreichte.
Schleier tanzten vor seinen Augen. Das Schmerzmittel wirkte nicht mehr, die Anstrengung hatte ihm trotz der Kälte den Schweiß aus allen Poren
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