Söhne der Erde 23 - Jenseits Von Tausend Sonnen
benutzen und euch auf primitive Art zu bewegen. Seid ihr Sklaven? Diener einer enzyklopischen Rasse, denen ihr das Schiff geraubt habt?«
Diener einer enzyklopischen Rasse ...
Charru erfaßte instinktiv die Realität, die hinter der Frage steckte. Eine Rasse, die fast nur noch ihre Gehirne benutzte, die im Laufe einer fehlgeleiteten technologischen Entwicklung körperlich degeneriert war - und die Sklaven brauchte. Eine Rasse, die offenbar nie den Überlicht-Antrieb entwickelt hatte, weil ihr Fortschritt weniger auf Forschung und Erkenntnis zielte als auf Bequemlichkeit. Und welche Rolle spielten dann die Bewohner des Nebelplaneten, bei denen die Fremden angeblich als Gäste weilten? Charru zog die Brauen zusammen und verschob die Frage. Es war etwas anderes, das ihn im Moment am meisten beschäftigte.
»Wir haben uns im All verirrt«, sagte er langsam. »Ihr besitzt ebenfalls Raumschiffe. Sicher kennt ihr nicht den Namen unserer Sonne, die wir Sol nennen. Aber vielleicht habt ihr Instrumente, die sie erfassen können.«
Er beschrieb, was er über Sol, ihre Planeten, ihre galaktische Lage am Rande des Orion-Arms wußte. Er beschrieb den nächsten Fixstern: Proxima Centauri, roter Stern 11. Größe. Er beschrieb das Alpha-Centauri-System, Sirius mit dem ihn begleitenden weißen Zwerg - alles, was sich in den vergangenen Monaten tief in sein Gedächtnis geprägt hatte. Für die Menschen aus der Mondstein-Welt, die nur ihre blaue Kuppel und die Flammenwände kannten, war die Unendlichkeit des Alls ein überwältigendes Wunder gewesen. Sie hatten begierig jedes Fetzchen Wissen darüber aufgenommen. Wissen, das ihnen jetzt dennoch nichts nützte. Entweder ihr heimatliches Sonnensystem war unvorstellbar weit entfernt - oder die Fremden, die sich »Allwissende« nannten, hatten nie versucht, die Galaxis außerhalb ihrer unmittelbaren Umgebung zu erforschen.
»Wir kennen eure Welt nicht«, sagte die blecherne Stimme aus dem Sprach-Decoder. »Was du schilderst, ist uns völlig fremd. Ihr müßt von weiter her kommen, als wir ahnten.«
V.
Laufbänder ratterten.
Eine tunnelförmige Kuppel filterte das eigentümlich metallische Licht des Uranus. Das durchsichtige Material gab den Blick auf die Sonne frei: ein ferner, kalt leuchtender Punkt am Himmel. Immerhin spendete sie wesentlich mehr Helligkeit als Luna für die Erdenbewohner oder die beiden kleinen Marsmonde. Die Männer, die hier arbeiteten, brauchten tagsüber keine künstliche Beleuchtung.
Beryl von Schun hockte auf dem Führersitz eines offenen Schienenfahrzeugs und wartete.
Der blonde Tiefland-Krieger trug einen leichten Schutzanzug, Handschuhe und Stiefel. Die Kälte war erträglich. Für längere Zeit konnte man sich auf dem Uranus ohnehin nur innerhalb der Klimafelder aufhalten. Aber die Temperatur dieser Felder lag, von den überkuppelten Städten und einigen anderen Ausnahmen abgesehen, stets unter null Grad Celsius, da man sonst weitere technische Mittel hätte aufwenden müssen, um das Antauen des gewaltigen Eispanzers zu verhindern.
Beryl sah zu, wie Kormak, Hardan und Leif ein paar von den grauen Blöcken hochwuchteten, unter deren Isolierhaut sich komplizierte Aggregate verbargen.
Sie wurden auf den offenen Wagen verladen. Beryl betätigte den Startschalter und ließ das Fahrzeug langsam anrollen. Die Schienen führten aus dem überkuppelten Raum hinaus in die Eiswüste. Auch dort war ein provisorisches Klimafeld installiert worden. Links und rechts von der Linie der im Bau befindlichen Gleiterbahn warteten weitere Männer, die das Fahrzeug entluden, die Aggregate weiterschleppten und unter der Aufsicht von Technikern und Vollzugsbeamten im Eis verankerten.
Die Spezialisten, die später Energiezellen einbauten und die Geräte in Betrieb setzten, gehörten überwiegend zu den ehemaligen Luna-Häftlingen.
Bürger der Vereinigten Planeten, meist wegen lächerlicher Lappalien verurteilt, Männer, die sich bei der Revolte in der Strafkolonie des Erdenmondes auf die Seite der Bewacher geschlagen und die Rückkehr zum Mars der gefährlichen Freiheit vorgezogen hatten. Ihre Strafen waren wegen dieses Beweises von Loyalität gekürzt worden, und sie bemühten sich, die verbliebenen Monate durch gute Führung weiter zu reduzieren. Zwischen ihnen und den Rebellen vom Merkur herrschte eine instinktive Feindseligkeit, die deutlicher hervortrat als die Gegnerschaft zwischen Gefangenen und Wärtern.
Beryls Blick glitt über die schwarz uniformierten Gestalten
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