Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
macht er sich Sorgen um das Wohlergehen seiner kleinen Freundin oder um das Ergebnis ihrer Versteigerung. Entspann dich, Ruben. Dieser Abend gilt dem Vergnügen.«
Ein Glöckchen stimmte in Cassians Worte ein und verkündete den Beginn der Auktion. Das Geplauder senkte sich zu einem Murmeln. Erwartungsvoll wandten sich die Herren der Bühne zu. Hinter dem Paravent rumorte es. Dann schickte ein Stoß die Attraktion des Abends auf die Bühne. Als sie an den Bühnenrand stolperte, verstummten die letzten Gespräche. Über den Salon legte sich Schweigen.
»Verflixt! Ist das wirklich die kleine Florine?«
Johlen, Applaus und Pfiffe brandeten nach dieser laut gestellten Frage auf. Das herzliche Willkommen löste wenig in dem Mädchen aus. Kurz verschränkte sie die Arme, dann sanken sie herab und sie verbarg die Hände in den Falten ihres Kleides. Reines Weiß im griechischen Stil gehalten. In ihr Haar waren Weinranken geflochten, die rotgoldene Flut bedeckte dick und glatt ihre Brüste, war jedoch nicht lang genug, um das Dreieck zwischen ihren Schenkeln zu verbergen. Der Mode entsprechend war es rasiert worden. Nicht ein Härchen war ihr geblieben. Plötzlich störte sich Cassian daran, dass zwei Dutzend Männer den Augenschmaus unter dem dünnen Stoff mit ihm gemeinsam genossen. Heidnisch und unschuldig zugleich, bot Florine das Bild einer Nymphe. Einer sehr kurvenreichen Nymphe mit aufmüpfig erhobener Nase.
»Gehört sie zu den Hexen?«, raunte Ruben.
Er musste unweigerlich zu diesem Schluss kommen. Rotes Haar und tiefblaue Augen wurde den Hexen nachgesagt. Cassian schüttelte den Kopf. Florine gehörte zu den Frauen mit unbeherrschtem Temperament, mehr steckte nicht dahinter. Er erinnerte sich nur an einen kurzen Moment, in dem er ihre Angst gewittert hatte. Seine Zähne hatten zu diesem Zeitpunkt ihren Hals berührt. Danach hatte sie Entschlossenheit bewiesen und schließlich lautstarke Wut. Das war beachtlich in Anbetracht der Berührung seiner Wolfsfänge auf ihrer Haut.
Das Knallen eines Holzhammers holte Cassian in die Gegenwart zurück. Madame Chrysantheme hatte hinter ihrem Pult Aufstellung genommen und setzte einen Kneifer mit hellgrünen Gläsern auf den Nasenrücken.
»Messieurs, am heutigen Abend findet eine Versteigerung statt, deren Mindestgebot sich auf zweihundert Louis D’Or beläuft.«
»Das ist eine ganze Menge für eine halbe Portion«, rief eine trunkene Stimme dazwischen.
Florine suchte in der Menge nach dem Störenfried. Ihre Augen wurden schmal, als sie ihn entdeckte. Er prostete ihr mit seinem Cognacschwenker zu.
»Den Stammgästen des Hauses Chrysantheme ist Florine gut bekannt«, trug Madame Chrysantheme von oben herab vor. »Ihr Wirken zeigt sich überall. Sie ist meine rechte Hand, zählt achtzehn süße Sommer und obgleich defloriert, kann niemand der hier Anwesenden von sich behaupten, ihren Leib gegen Geld besessen zu haben. Wer den genannten Einsatz nicht überbieten kann, ist angehalten, die Versteigerung nicht durch Zwischenrufe zu stören.«
Abrupt beugte Ruben sich zu Cassian. »Wie hoch soll ich gehen?«
Cassian ließ keinen Blick von Florine. »So hoch wie nötig. Ich will sie.«
Nachdem keine weiteren Einwände angemeldet wurden und keiner daran dachte, den Salon zu verlassen, wagte ein junger Herr mit flammenden Wangen das erste Gebot.
»Zweihundertfünfundzwanzig.«
Dezent hob Ruben seinen Handschuh.
»Der Herr in Grün bietet zweihundertfünfzig. Wer bietet mehr?«
Die Gebote folgten Schlag auf Schlag. Dabei hielten sie sich in überschaubaren Grenzen. Finger streckten sich, Köpfe nickten, Hände winkten. Cassian nippte am Champagner, knabberte eine Praline und beobachtete Florine. Sie unternahm keinen Versuch, ihren Bietern zu gefallen und durch aufreizende Posen die Gebote in die Höhe zu treiben. Ohne zu lächeln sah sie über die Köpfe der Gäste in den Garten hinaus. Eine brüchige Stimme bot sechshundert. Das Gebot kam von einem Greis, dessen eingefallene Züge ihn zu einer verschrumpelten Fledermaus machten. Ehe Ruben dagegenhalten konnte, streckte Florine den Arm vor und deutete mit dem Finger auf den alten Mann. Gleich einiger anderer hatte auch er seinen Dreispitz nicht abgenommen.
»Dieser Mangel an Achtung ist unerhört. Ein jeder, der seinen Hut nicht absetzt, sollte keine Gebote machen dürfen.«
Schallend lachten die Gäste auf. Florine schwenkte ihren gestreckten Arm von links nach rechts. Nach und nach wurde ihre Forderung erfüllt. Die
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