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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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überlege.«
    Diesmal gab es kein Zögern. Noch zu mitgenommen, um sich zu erheben, krochen die Kerle auf Händen und Knien in den Farn hinein. Cassian ging es nicht schnell genug. Trotz Florines Aufschreies setzte er ihnen nach. Sie war froh, dass er sie lediglich an ihren Lumpen packte, auf die Füße stellte und vor sich hertrieb. Die Männer stützten sich gegenseitig und stolperten davon, so schnell ihre Füße sie trugen. Ihr Weg durch den Farn teilte die Pflanzen in eine unruhige Schlangenlinie. Erst als die Strauchdiebe zwischen den Bäumen verschwunden waren, kehrte Cassian um. Florine traf ein Blick, unter dem sie taumelte. Der Baumstamm bot wenig Schutz, aber etwas anderes gab es nicht. Sie stieß sich den Fuß an einer Wurzel an, als sie dahinter in Deckung flüchtete.
    »Florine.«
    Sie hörte ihn kommen. Farnwedel schlugen gegen das Leder seiner Stiefel. Ein Ast brach und das Tongeschirr klirrte. Sie hatte Angst, eine nahezu ebenso große Angst wie die beiden Strauchdiebe sie verspürt haben mussten. Als Cassian den breiten Stamm umrundete, flitzte sie darum herum. Stille. Sie hörte nichts mehr, außer dem Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren. Wo war er?
    »Florine, sie sind fort. Du musst keine Angst haben.«
    Sie hatte keine Angst vor zwei räudigen Halsabschneidern. Sie hatte Angst vor dem, was sie gesehen hatte. Silber in Cassians Augen, ein unnatürliches Flirren, das aus ihm einen anderen machte. Die Narben … seine Erklärung … er konnte kein Mensch aus Fleisch und Blut sein. Dann zweifelte sie an ihrem eigenen Verstand, der daran scheiterte, das Unmögliche zu denken.
    »Sieh mich an, Petite.«
    Er war auf der anderen Seite des Baumes aufgetaucht. Lautlos, obwohl das Laub trocken war und jeder Schritt zu hören. An den Stamm gepresst drehte sie den Kopf zur anderen Seite. Es brauchte keinen Kosenamen, um sich klein und schutzlos zu fühlen. Sie wurde wieder zum Kind im Haus der Balbeuf, stets auf der Hut, ohne den regelmäßigen Hieben entgehen zu können, die die Balbeuf ihren Schützlingen erteilt hatte. Gewalt gehörte zu den Dingen, die sie schier blind machten vor Furcht. In den Straßen von Paris hatte sie genügend Opfer gesehen, um zu wissen, wie schnell sie selbst dazu werden konnte. Es war nahezu aussichtslos, sich dagegen zu wappnen, denn ab einem gewissen Punkt scheiterten all die Strategien, die sie sich zugelegt hatte, um keine Grausamkeiten erdulden zu müssen. Sie wusste es. Sie kannte ihre Schwäche und die aller anderen Frauen ohne Schutz.
    »Florine …«
    Sie fuhr so heftig unter seiner Berührung zusammen, dass ihre Zähne aufeinander schlugen. Die Hand auf ihrer Schulter hatte einen Menschen beinahe vom Leben in den Tod befördert.
    »Geh weg.«
    Ihr Flehen war nutzlos. Cassian ging nicht weg, sondern kam näher, legte seine Hände links und rechts von ihrem Kopf an den Stamm und drückte sich in ihren Rücken. Sie spürte ihn an ihren Beinen, seinen Atem in ihrem Nacken und sah hinter der Dunkelheit ihrer geschlossenen Augen Reißzähne aufblitzen. Ein Schauder zog durch sie hindurch. Sie wusste nicht, wie lange sie dort standen, lange genug, damit ihr Herz zu seinem regelmäßigen Schlag zurückkehren konnte und die Wärme seines Körpers an Bedrohung verlor.
    »Ich musste dich schützen. Ich kann nicht zulassen, dass dir … ich brauche dich.«
    Ein Mann von seiner Körperkraft brauchte sie ganz sicher nicht. Florine wagte einen Blick durch ihre gespreizten Finger in seine Augen. Da war nichts, kein silbriges Glitzern, keine Flecken. Nichts, außer tiefem Blaugrau, in dem leichte Unruhe und Zerknirschung standen.
    »Verzeih mir, ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Sie berührte seine Wange. Was hatte er an sich, das es ihr so den Atem raubte? Weshalb nur, war seine Wirkung auf sie so unglaublich präsent, dass jede Vernunft daran zerschellte?
    »Bring mich nach Hause«, bat sie.
    Er sah auf sie herab. Schwer hob sich sein Brustkorb, nach Atem oder Fassung oder beidem ringend, ehe er zurücktrat, zwei Finger in den Mund steckte und einen schrillen Pfiff ausstieß.
    »Bertrand ist gleich bei uns.«
    Nach dieser Zusicherung nestelte er an seinem Hemd und schloss die Knöpfe. Sein Haar fiel nach vorne, verbarg sein Gesicht und den Ausdruck darin. Ein Gewirr aus dunklem Bernstein, weich und dicht. An seiner Haltung war nichts von einem Mann, der zu Gewalt neigte. Eher schien er seine Enttäuschung über den misslungenen Ausflug vor ihr verhehlen zu wollen. Er hatte

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