Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
Platz, Hübscher, damit wir dein Täubchen besser sehen können.«
Das rohe Gelächter endete so abrupt wie es begonnen hatte. Eben noch war Cassian am Boden gewesen und plötzlich stand er aufrecht. Seine Bewegung kam so schnell, dass Florine noch immer seine Berührung an ihrem nackten Knie zu spüren vermeinte. Hastig setzte sie sich auf und zog den Saum ihres Chemises bis zu den Fußknöcheln hinab. An Cassians Beinen vorbei musterte sie die Störenfriede. Sie trugen Lumpen, aus denen ein strenger Geruch nach Schweiß und Alkohol waberte. Cassians Verhalten hatte zwei schartige Klingen zutage gefördert. Der Anblick der Waffen hob Florine auf die Knie. Die Hände flach auf die Decke gepresst, wartete sie auf sein Zeichen. Jeden Moment konnte er es geben, und sobald es soweit war, würde sie aufspringen und rennen. Sie behielt seine Hand im Auge, um im richtigen Moment danach zu greifen. Noch hing sie locker herab.
»Bürschchen, wenn du nicht willst, dass wir dir eine Rasur verpassen, solltest du netter zu uns sein.«
Donner schien durch den Wald zu rollen und brachte die Vögel zum verstummen. Dieses Knurren, tief aus der Kehle, hörte sie nicht zum ersten Mal. Im Wald klang es bedrohlicher als im Gewölbe, da der Laut sich zwischen den Bäumen fortsetzte. Die Strauchdiebe schienen keine Ahnung von der Bedrohung zu haben, vor der sie standen. Ihr Grinsen zeigte mehr Zahnlücken als Zähne. Das Knurren wurde tonlos und ungut und riet dazu, in Deckung zu gehen. Auf Händen und Knien schob Florine sich zurück, bis ein Baumstamm in ihrem Rücken sie aufhielt.
»Uns legst du nicht rein, Schnösel.«
Es war der Kleinere, der einen wendigen Satz auf Cassian zumachte, und es kam ihn teuer zu stehen, denn dieser wich dem Stoß des Messers nicht aus, sondern packte das Handgelenk des Strauchdiebs und verdrehte es mit einem knappen Ruck. Knackend brach ein Knochen, und das Messer fiel zu Boden. Der Angreifer umfasste sein Handgelenk und beugte die Schultern vor.
»Das Schwein hat mir die Hand gebrochen!«
Was darauf folgte entzog sich Florines Wahrnehmung. Weißer Hemdenstoff wirbelte vor ihren Augen, Cassians Haar flog auf, und die Spitzen seiner Manschetten flatterten. Das Geräusch von Fäusten, die auf Fleisch und Knochen trafen, war ihr vertraut. Etliche Schlägereien hatte sie in Paris mitverfolgt als sie noch ein Kind gewesen war, keine davon so effizient und brutal wie diese. Ihr Mund wurde trocken. Eng drückte sie sich an den Baumstamm, da sie sich außerstande fühlte, ihrem Impuls nachzugeben und einfach davonzulaufen, um nicht länger zusehen zu müssen. Wenig später wälzten sich die Strauchdiebe am Boden. Blut rann aus ihren Nasen, sammelte sich an Oberlippe und Kinn. Sein schneller Sieg war Cassian nicht genug. Er zerrte die Männer zurück auf die Füße, nicht am Kragen – an ihren Kehlen. Mit je einer Hand würgte er sie, ungeachtet ihres kläglichen Zappelns. Ihre Züge verzerrten sich, färbten sich allmählich von tiefem Rot ins Bläuliche. Das Röcheln aus ihren klaffenden Mündern zwang Florines Puls zu einem stockenden Rhythmus.
Zweifelsohne wollte er sie umbringen und drückte den Männern so hart die Luft ab, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Fassungslos über dieses Ausmaß einer Brutalität, die sie an Cassian weder bemerkt, noch ihm zugetraut hatte, verfiel Florine in eine Lähmung. In wachsender Verzweiflung krallten sich die Männer in Cassians Unterarme und zerrten an seinen Ärmeln. Stoff riss, ohne dass er auch nur ins Wanken geriet. Diesen Todeskampf hatten die beiden Schurken nicht verdient. Es war unmenschlich. Sie öffnete den Mund. Zunächst kam kein Laut über ihre Lippen.
»Hör auf.« Ihre Stimme war ein Rascheln von Laub, aber sie löste ihre Lähmung, sie konnte tief Luft schöpfen. »Hör auf damit!«
Am Baumstamm entlang schob sie sich nach oben. Borke brach in ihrem Rücken und drückte schmerzhaft in die Haut. Cassian hörte nicht auf sie. Er wollte nicht aufhören, ehe seine Gegner leblos zusammenbrachen. Sein Vorgehen übertraf den Gleichmut der Aristokratie gegenüber niederem Gesindel. Wenn er nicht innehielt, würde er zum Mörder werden, vor ihren Augen.
»Um Gottes Willen, Cassian! Lass die Männer los!«
Hart stieß er die beiden von sich, die binnen eines Lidschlags von Tätern zu Opfern geworden waren. Keuchend blieben sie in den Farnwedeln liegen, husteten, spuckten und rieben über ihre Hälse.
»Verschwindet, bevor ich es mir anders
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