Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
Vom Netzwerk:
sich eine gebrochene Nase eingehandelt. Die Schwellung hielt sich hartnäckig.
    »Die kleine Mamsell war das Faktotum von Madame. Seit wann ist sie eine Kurtisane?«
    Der Bursche spähte um die Ecke und zog sofort den Kopf wieder zurück. Wut zerrte an seinen Mundwinkeln. So arglos das Blau seiner Augen war, ein Menschenkenner erkannte in seinen Zügen einen Hang zur Grausamkeit. Vermutlich galt sie kleinen, hilflosen Tieren, neugeborenen Kätzchen und Ähnlichem. An etwas Größeres wagte sich so einer selten heran.
    »Seitdem dieser Hundsfott daherkam und sie auf der Versteigerung erstand.«
    »Er hat sie ersteigert?«
    »Für zweitausend Louis D’Or.« Der Bursche spuckte aus. »Er hat sich Florine was kosten lassen. Eins kann ich Euch aus erster Hand verraten: wert ist sie’s nicht.«
    Dem musste Saint-Germain uneingeschränkt zustimmen. Ein Kindergesicht voller Sommersprossen und eine Stupsnase waren nicht einmal die Hälfte wert. Was fand Cassian de Garou an einem Weibsbild, deren Kurven sie zu einer wandelnden Sanduhr machten? Sein Augenmerk hatte bisher graziösen Frauen gegolten, feingliedrig und langbeinig erinnerten sie an die bevorzugte Beute eines Wolfes: Rotwild. Die kleine Mamsell besaß vielleicht hübsche Beine, allerdings war ihr Wuchs zu gering, als dass sie sonderlich lang sein konnten. Dennoch hatte sie den Werwolf seine hohen Maßstäbe vergessen lassen. Das Vermögen, das er für sie gezahlt hatte, zog Saint-Germains Rocktasche nach unten.
    »Wann war die Auktion?«
    »Vor einigen Tagen. Heute kam er angefahren und holte sie ab. Zu einer Spazierfahrt. Die Einladung hat ihr mächtig imponiert. Für einen Sitzplatz in seiner Equipage hat sie sich vögeln lassen. So billig ist bei Madame Chrysantheme keine andere zu haben.«
    Mehrere Spuckflecken am Boden begleiteten die hasserfüllten Worte des Burschen. Saint-Germain wedelte ihn fort. Sollte der Kerl woanders herumspucken, er hatte genug gesehen und gehört, um sich ein Bild zu machen. Es führte zu unglaublichen Schlussfolgerungen. Der Sprössling reinsten Blutes hatte einen Narren an diesem Weib gefressen und konnte sich nicht loseisen. Die Unterhaltung der beiden dehnte sich, da sie von ständigen Küssen unterbrochen wurde. Verstehen konnte Saint-Germain nichts, doch Cassian lehnte sich soweit aus der Kutsche, dass er jeden Moment den Halt verlieren konnte. Seine übliche Geschmeidigkeit litt beträchtlich unter seiner Begeisterung für die kleine Mamsell. Sie war so groß, dass eine einmalige Begegnung nicht ausgereicht hatte, und wie es aussah, sollte dieses zweite Stelldichein nicht das letzte bleiben.
    Saint-Germain lehnte sich an die Hauswand. Die Sonne wärmte sein Gesicht und seine Schultern. Er sah direkt in das Licht hinein und überlegte. Wenn ihn nicht alles täuschte, so hatte das Verhalten des Werwolfs Ähnlichkeit mit der Art wie der Goldene mit Marie Brel umgegangen war. Permanente Aufmerksamkeit, stets auf sie gerichtet, die Umgebung ausblendend und von einer Leidenschaft getragen, die noch stärker brannte als die Augustsonne.
    Hufschlag und das Rattern der Räder schreckte Saint-Germain auf. Die Equipage rollte davon, während Cassian de Garou seiner neusten Eroberung mit dem Hut zuwinkte und jede Contenance vergaß, die er sich und seiner Sippe schuldig war. Könnte es sein? Saint-Germain lugte um die Hausecke. Die kleine Mamsell stand auf den Stufen und drückte einen großen Strohhut auf ihren Kopf. Wenn er sie so ansah, konnte es nicht sein. Andererseits hatte sie vermocht, einen Werwolf zu fesseln. Bei der Vorstellung alles könnte so werden wie einst, wurde ihm die Atemluft knapp. Die ewige Jugend einschließlich einer ebenso lang währenden Dankbarkeit rückte in greifbare Nähe. Der Goldene brauchte eine neue Sonne, die sein lichtloses Dasein erhellte, und Saint-Germain würde nichts unversucht lassen, um sie ihm sie beschaffen.

     
    Der Wolf legte alle Kraft in seinen Lauf. Licht und Schatten flirrten in seinen Augen, während er durch niedriges Dickicht brach und über gestürzte Stämme hinwegsetzte. Ein Stück vor ihm wirbelten die Hufe des Hirschs Laub auf. Eine Beute auf dem Höhepunkt ihrer Kraft, deren mächtiges Geweih den Nachteil hatte, dass sie nicht zwischen eng stehenden Bäumen entkommen konnte. Es konnte nicht die erste Hetzjagd für den Hirsch sein, doch auf die einzige Taktik sein Leben zu retten, verfiel er nicht. Andere Artgenossen schlugen Haken, die den Jäger aus der Bahn warfen und ihren

Weitere Kostenlose Bücher