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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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fern von Paris gefunden und rechnete nicht mit Gefahren. Sobald er zurückkehrte zu seinem zerstörten Nest, würde er sich auf die Suche nach dem Täter machen und der Fährte folgen, die Cassian zurückgelassen hatte. Ob es dem Namenlosen bis nach Paris gelingen konnte, blieb dahingestellt. Wichtig war nur, dass er von Florines Witterung abgelenkt war.
    Cassian steckte seine Taschenuhr ein und trat aus der Grotte. Tief atmete er durch, um die Fäulnis loszuwerden, die in seiner Nase hing. Als er seine Stiefel an Grasbüscheln abrieb, wurde er sich des Mondes weit über sich bewusst. Obwohl der Himmelskörper erst in der nächsten Nacht seine volle Kraft entfaltete, nahm Cassian bereits jetzt die Harfenklänge seiner Silberstrahlen wahr. Ein süßes Rieseln, weniger zu hören, denn unter der Haut und im Herzen zu spüren. Er legte den Kopf in den Nacken. Ihnen blieb noch ein Tag, und noch immer waren sie ohne eine brauchbare Strategie. Sie brauchten den Vollmond und sein Licht und mussten die Namenlosen aus ihrem Unterschlupf hervorlocken. Die Frage war, wie ihnen das gelingen sollte.
    Teils sehnsüchtig, teils zurückschreckend sah er in den fast vollen Mond, ließ dessen Melodie auf sich wirken und fragte sich, wie es sein würde, zur Bestie zu werden. Seine Schwester Alba war ihr erlegen. Er selbst hatte diese letzte unkontrollierte Wandlung stets vermieden. Stattdessen verkroch er sich in der nahtlosen Dunkelheit seines Hauses, hinter geschlossenen Läden und verriegelten Türen. Die Bestie strafte ihn für die Verweigerung mit Krämpfen, einem Zerren und Reißen in allen Fasern, die ihn zu einem schmerzgepeinigten Stück Fleisch degradierten. Morgen Nacht würde er zum ersten Mal in acht Jahrzehnten dem Lockruf des Mondes folgen.
    Eingedenk des Dilemmas, vor dem er stand, bewegte er unruhig die Schultern. Florine wäre in seinem Haus keineswegs in Sicherheit, nicht mit drei Männern, die sich in etwas verwandeln würden, das dem Grauen der Namenlosen nahe kam. Er sollte sie bei Madame Chrysantheme lassen. Trotz dieser Einsicht sträubte sich alles in ihm dagegen. Er wollte kein Risiko eingehen und musste Florine mitnehmen. In Paris gab es ausreichend saubere und bequeme Unterkünfte, in denen sie in den nächsten drei Nächten sowohl vor dem Namenlosen als auch vor ihm sicher war.
    Vor dem Anwesen wartete Bertrand mit der Equipage. Er hatte es sich auf den Ledersitzen bequem gemacht und war, den Dreispitz tief in die Stirn gezogen, eingenickt. Das Fingerschnippen seines Herrn entlockte dem schlummernden Leibdiener ein Grunzen.
    »Wo ist sie?«
    Die drei Silben kamen mit der Schärfe von Peitschenhieben und schreckten die dösenden Pferde und Bertrand auf. Dieser schob seinen Dreispitz zurück und blinzelte verwirrt darunter hervor.
    »Wer?«
    »Mademoiselle Florine! Wo ist sie?«
    »Sollte sie denn hier sein?«
    Die Begriffsstutzigkeit Bertrands quittierte Cassian mit einem derben Fluch. Sie mussten abfahren und Abstand gewinnen. Lange konnte der Namenlose nicht mehr fern bleiben, und sobald er zurückkehrte, würde die Hölle ausbrechen. Kurz schoss ihm durch den Kopf, dass er Madame Chrysantheme warnen sollte. Eine unsinnige Idee, da er ihr nicht auf die Nase binden konnte, worin die Gefahr bestand und wie sie aussah.
    Im Laufschritt strebte er auf das Haus zu. Möglicherweise hatte Florine einen anderen Entschluss gefasst und wollte ihn nicht begleiten. Nachdem sie seinem Wüten zugesehen hatte, hielt sie ihn vermutlich für einen vollkommen Wahnsinnigen, denn die Täuschung der Namenlosen war perfide. In den Augen der Sterblichen war ihre Brut nichts, wovor man davonrannte oder gar schauderte. Nein, es waren niedliche Geschöpfe, anrührend und schützenswert, etwas, das den Impuls auslöste, die abscheulichen Wesen zu herzen und im Arm zu wiegen. Wenn die kleinen, scharfen Zähne erst einmal in ein Gesicht oder in einen Hals bissen, war es zu spät, den Fehler zu beheben. Andererseits hatte diese Täuschung an Florine versagt. Sie wurde mehr und mehr zu einem Rätsel. Ihr ausgeprägter Geruchssinn, ihr Verlangen die Brut tot zu sehen, auch ihr energisches Vorgehen, als sie ihn aus den Ketten befreit hatte – all das passte nicht zu einer Sterblichen.
    Vielleicht sollte Ruben mit seiner Frage Recht behalten und Florine war eine Hexe. Allerdings musste sie enorm an Fähigkeiten verloren haben, wenn es sie in ein Hurenhaus verschlug.
    Ebendieses Haus betrat er und wurde vom Spiel einer Fiedel in einen Salon

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