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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Gold, die Haut so hell, dass dahinter ein Licht zu brennen schien. Ein kaltes Licht, das die Temperatur im Raum um Grade senkte. Seine Züge waren überirdisch, zeitlos und furchteinflößend, beherrscht von Augen, die trotz des Zwielichts des Raumes in einem unnatürlichen Türkisgrün flirrten. So stellte sie sich einen Engel vor. Nicht das liebevolle Wesen, das die Hand über die Menschheit hielt, sondern einen Engel der Rache, der mit Flamme und Schwert herabstieg, um einen gnadenlosen Vernichtungsfeldzug zu beginnen. Sie presste sich an die Wand, in dem nutzlosen Versuch, damit zu verschmelzen.
    »Goldener, hier habe ich eine besondere Quelle aufgetan, von der ich zutiefst hoffe, dass sie Euer Wohlgefallen findet«, säuselte Saint-Germain servil und verneigte sich so tief, dass seine Nase beinahe sein gebeugtes Knie berührte.
    Die Augen richteten sich auf sie, funkelnde Juwelen in einem Gesicht aus Milch und Marmor. Vielleicht war Cassian gegenüber diesem Fremden ein Nichts, jedoch war er ein lebendiges Nichts aus Fleisch und Blut. Das war ihr allemal lieber, als dieser eiskalte Kristall in Menschengestalt. Seine Schritte waren nicht zu hören, seine Bewegungen erinnerten an einen Tiger, den sie in der Menagerie von Versailles gesehen hatte. Auch er war weiß gewesen, mit schwarzen Streifen. Ihre Finger packten den Stuhl fester, obwohl sie fürchtete, dass ihr die Kraft fehlte, ihn zu heben. Ihre Angst vor der versteinerten Mimik, die der Fremde beibehielt, lähmte sie. In einiger Distanz von ihr blieb er stehen. Eine Regung aus Unglaube und Verblüffung huschte über ein Gesicht, von dem sie vermutet hatte, es könnte keine Regungen zeigen.
    »Marie.«
    Seine Stimme machte aus den Silben eines Namens eine zauberhafte Melodie. Vor Erleichterung wollten ihr die Knie nachgeben. Sie war nicht Marie, und Saint-Germain würde das Missverständnis aufklären. Dann konnte sie doch gewiss dieses Haus verlassen? Sie wartete auf Saint-Germains Eingeständnis, doch anstatt er seinen Irrtum zugab, hüpfte er wie ein Hampelmann, fiel jäh auf ein Knie und beugte den Nacken vor ihr.
    »Davon wusste ich nichts, Goldener. Ich hatte nicht die geringste Ahnung!«
    Mit dieser Ahnungslosigkeit stand er nicht alleine. Florine teilte sie uneingeschränkt, da sie sich keinen Reim auf den Kniefall machen konnte, der ihr galt. Ihre Augen schnellten von Saint-Germains gebeugtem Nacken zu dem weißgekleideten Fremden zurück. Er hatte die Distanz verringert und stand vor dem Stuhl, den sie vor sich hielt. Als er die Hand hob, näherte sie sich einer Ohnmacht. Fingerspitzen berührten ihre Wange, verursachten ein Kribbeln und jagten einen Stoß durch ihren Körper.
    »Kind …« Um seine Mundwinkel zuckte es.
    Sie stierte den Racheengel an, sah in das Licht, das aus ihm pulsierte, die Kerzenflammen überstrahlte und die Kälte in ein warmes Glimmen verwandelte. Seine Nasenflügel, hauchzart wie weiße Rosenblätter, zitterten unmerklich.
    »Cassian hat sie markiert! Wie konnte das geschehen?«
    Er kannte Cassian? Die Melodie in seiner Stimme war dahin, und Saint-Germain schrumpfte in sich zusammen. Er winselte eine Antwort hervor.
    »Ich weiß es nicht, Goldener.«
    »Lügner.«
    Zunächst glaubte sie, sie selbst sei es die zitterte. Dabei waren es der Boden und die Wände. Ein Rumpeln ging durch das Mobiliar, die Stuhllehne rutschte aus ihrem feuchten Griff. Es war so schnell vorüber wie es begonnen hatte. Furcht legte sich gleich einer Schlinge um ihren Hals und zog sich immer enger zu. Weder wusste sie, was vor sich ging, noch wer der Fremde war, dem ein Wort ausreichte, um ein Haus erzittern zu lassen. Sein Kopf vollführte einen Ruck, seine Hand glitt von ihrer Wange, und sie schob sich an der Wand entlang auf eine Zimmerecke zu. Der Fremde zischte.
    »Wolf!«
    Weit und breit war kein Wolf zu sehen. Es war Cassian der eintrat, groß und schlank füllte er den Türrahmen aus. Die Fäuste hatte er geballt, seine Miene war von einer Härte, die seine Gewaltbereitschaft verriet. Cassian konnte sie retten, sie war sich absolut sicher. Er würde sie hier herausholen, fortbringen von dem Mann mit dem grausam schönen Gesicht.
    »Du hast einen Fehler gemacht, Mica. Die Frau gehört mir.«
    Der Racheengel namens Mica bewegte sich auf Cassian zu, vielmehr schien er durch die Luft zu sirren gleich einer weißen Lawine, die alles in ihrem Weg zerstören wollte. Anstatt auszuweichen warf sich Cassian regelrecht hinein in das blendende Weiß.

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