Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
und bestätigt sah und sich satt und erfüllt fühlte. Cassian drehte sich mit ihr auf die Seite, ohne sich zu lösen. Still warteten sie darauf, dass die Hitze ihrer Leiber abebbte. Lange hielt Florine ihr Schweigen nicht durch.
»Irgendwie riecht es nach Wald.«
In der Tat, er hatte es nicht lassen können, eine ohnehin klare Markierung aufzufrischen. Sie haftete an ihrer Haut und in ihrem Schoß, obgleich nicht zwischen ihren Fußzehen – was er nachzuholen gedachte. Er wollte sie eintauchen in seine Marke, eine Warnung für jeden anderen Werwolf setzen, der sich in ihre Nähe wagte. Zwar waren außer Juvenal und Ruben keine weiteren Alphas in Paris, aber das änderte nicht das Geringste an dem Bedürfnis eines Wolfes, seinen absoluten Anspruch anzumelden, und sei es nur vor der eigenen Sippe. Das war Cassians vorrangiger Gedanke, und daher erwischte ihn der zweite eiskalt. Sie konnte es riechen! Sie nahm etwas wahr, wozu kein Sterblicher in der Lage war. Ihre Nasen waren nicht gut genug dazu.
»Wie kannst du einen Wald in einer Grotte riechen?«, stellte er sich dumm.
»Da ist Laub und feuchter Waldboden. Wie im Herbst. Würzig und lebendig.« Ihre Hand bewegte sich vor ihrer Nase, während sie die Augen geschlossen hielt. »Riechst du es nicht?«
»Nein.« Er löste sich von ihr und richtete sich auf. Ihr zuliebe hob er die Nase und zog die Luft tief ein. Eine Überraschung erwartete er nicht. Ihrer beider Geruch, die zerdrückten Rosenblüten und das Minzeöl in den Lämpchen. Was ihn stattdessen traf war ein Schlag in die Magengrube. Kompost. Faulig süß. Wie an unsichtbaren Fäden gezogen sprang er auf, und als ahnte Florine, was ihm soeben in die Nase gedrungen war, setzte auch sie sich auf.
»Ich hatte so gehofft, es würde sich verflüchtigen. Seit Wochen hängt es in der Grotte. Ich dachte schon ich … niemand wollte mir glauben. Es muss unser Nachbar sein. Es verärgert ihn maßlos, dass sein Besitz an ein Bordell anschließt, und so hat er seinen Komposthaufen direkt auf die Grundstücksgrenze gesetzt. Als ich ihn zur Rede stellte, leugnete er es, dieser kleinliche Parvenü.«
»Du kannst es riechen?«
»Es ist abscheulich. Ich dachte, die Minze … sie hat es nicht überlagert. Es ist dir aufgefallen. Cassian, ich möchte nicht … Wir könnten woanders …«
Er hörte ihr nicht länger zu und versuchte den Geruch zu orten, den Minze und Rosen und nicht zuletzt Florine überlagert hatten. Die Rachsucht eines Nachbarn trug keine Schuld daran, es kam von einer Gattung, die niemand in direkter Nachbarschaft ersehnte – und es drang aus dem Mauerwerk am hinteren Ende der Grotte. Cassian zerrte seine Hosen zurück auf die Hüften, nahm ein Öllämpchen auf und beleuchtete damit den hinteren Teil. Trotz der Minze wurde der Geruch stärker, meißelte sich in seine Stirn. Gleichmäßig gesetzte Steinquader, doch zwischen zweien davon entdeckte er eine Ritze. Die Flamme tanzte in einem Luftzug, als er sie davor hielt.
»Was ist hinter dieser Wand?«
»Nichts. Was ist los?« Florine kam zu ihm.
»Dahinter muss etwas sein.«
»Nein. Die Grotte ist nicht natürlich. Es war eine von Brennnesseln überwucherte Mulde. Wir haben sie ausgehoben und eine Grotte daraus gemacht. Alle Steine wurden von Handwerkern herbeigekarrt. Dahinter ist nichts.«
Der Bau eines Namenlosen war dahinter, aus einem einzigen Grund geschaffen. Eisenbänder zogen sich um Cassians Brustkorb zusammen. Der Namenlose in Versailles, und nun ein Hinweis auf sein Versteck. Sie beließen es nicht bei Paris und auf die Katakomben. Sie schwärmten aus. Seine Hand glitt über das Gestein.
»Cassian, was ist? Was stimmt nicht?«
»Geh zurück ins Haus, Florine.«
»Ich muss wissen …«
»Sofort!«
Florine streifte ihre Strümpfe und ihr Hemdchen über. Am liebsten hätte sie mit den Absätzen ihrer Seidenschuhe ein Loch in Cassians Hinterkopf geschlagen, wegen seiner Launenhaftigkeit und wegen des Belferns, durch das er sie aus der Grotte verscheuchen wollte. Es war geradezu unanständig, dass er dadurch das Wohlgefühl, das sie in seinen Armen erlebt hatte, zu einem abrupten Ende brachte. Von ungestümer Lust oder der ruhigen Besinnlichkeit ihrer Unterhaltung war nichts geblieben. Dabei wünschte sie sich mehr von beidem und hatte längst noch nicht genug. Sie wollte nicht auftauchen aus dem Strudel aus Begehren und Erfüllung. Noch immer hatte sie das Gefühl, seine Bewegungen tief in sich zu spüren, während er keinen
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