Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Rippen hämmerte sein Herz in schnellen Schlägen. Weiß leuchteten die Spitzen seiner Fänge oben und unten in seinem Gebiss. Der Wolf in ihm raste und wollte ausbrechen, und das gewiss nicht, um sich hinter den Ohren kraulen zu lassen.
„Ruben, mein Geliebter …“
„Wir werden Rom verlassen. Jetzt.“
„Ich kann nicht vor meiner Verantwortung fliehen. Wie sollte ich damit leben? Die Larvae werden auf ihrer Suche nach mir weitere Unschuldige töten. Sollen sie meiner Feigheit geopfert werden, damit ich mich sicher wähnen kann? Es muss beendet werden.“ Sie klang längst nicht so fest, wie sie klingen wollte. Er bemerkte es.
„Du kannst es nicht beenden und das weißt du.“
Hexendreck, er jagte ihr mächtig Angst ein. Seine Fänge bildeten sich nicht zurück. Das Timbre seiner Stimme war zu einem tiefen Donnern verkommen. Weißglut umknisterte ihn und fand ihren Widerhall in einem unguten Stechen in ihrem Nacken. Er packte ihre Schultern. Unbarmherzige Finger gruben sich in ihr Fleisch. Der Schmerz sollte sie zur Besinnung bringen. Stattdessen regte sich Aufbegehren. Niemand hatte einer Braglia zu befehlen. So etwas kam nicht vor.
„Lass mich los.“
„Wag es nicht, deine Magie gegen mich zu wenden, Frau“, knurrte er. Ihr Herz stolperte, als er ihr sein Wolfsgebiss zeigte und sie offen bedrohte. „Entweder du verlässt noch heute Nacht mit mir diese Stadt oder ich gehe ohne dich. Wenn du dich umbringen lassen willst, werde ich nicht bleiben und zusehen. Ist das klar geworden?“
Fassungslos riss sie die Augen auf. Überhaupt nichts war klar! Panik schlug über ihr zusammen, wollte ihr den festen Boden entziehen. Alles drohte, an seinen Worten zu zerschellen. „Du bist meine Ergänzung. Du kannst mich nicht verlassen.“
„Noch bist du nicht meine Gefährtin, und ich werde mich nicht an dich binden, wenn du keine Vernunft annimmst. Zwing mich nicht dazu, dich zu verlassen.“
Er schüttelte sie mit einer Gewalt, bei der ihre Zähne aufeinanderschlugen. Ihr Kopf flog vor und zurück, bis sie fürchtete, ihr Nacken würde brechen. Ihr Sehfeld verschwamm. Haltlos rutschten ihre Ledersohlen über den Schnee. Sie biss sich auf die Zunge und schmeckte Blut. Endlich griff Mica ein.
„Garou! Hör auf! Willst du ihr das Genick brechen?“
Sie wurde freigegeben, taumelte, und wäre beinahe hingefallen. Mica hatte Ruben am Revers seines Mantels gepackt und schob ihn zurück. Ein aggressives Knurren schwoll zum Nachthimmel an, kroch auf sie zu, einmal heller, einmal dunkler. Ein wildes Tier maß sie ab, animalisch und bar jeder Vernunft. Wie hatte die Situation so schnell eskalieren können? Das Band zwischen ihnen, er wollte es kappen. Sie spürte es, ein Zerren in ihrem Herzen.
„Ruben, versteh doch, dass ich nicht anders kann“, flehte sie.
Das Knurren versiegte, Stille senkte sich auf sie herab. Lautlos trat Mica beiseite und gab Ruben den Weg frei. Er musste ihn nicht länger zurückdrängen, denn er ging aus freien Stücken rückwärts. Einen Schritt. Noch einen. Ein letztes Mal kreuzten sich ihre Blicke, dann drehte er sich um und eilte davon.
„Ruben!“
Er wurde schneller, sein Mantel wehte auf.
„Du hättest ihn vorbereiten sollen. Ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen, war das Dümmste, was du machen konntest.“
Sollte ihr die trockene Weisheit eines Ewigen etwa weiterhelfen? Angst wühlte sich durch ihre Adern, zurrte ihre Lungen zusammen und machte sie schwindelig. Die Dunkelheit, der Rauchgestank, die Kälte, alles stürzte auf sie ein, um sie unter sich zu begraben. Ruben wollte fortgehen. Ihre Ergänzung sagte sich los. Das durfte nicht sein. Ohne ihn fehlte jeder Sinn, an ihrem verdammten Hexenleben zu hängen. Sie rannte ihm nach. Ihre feuchten Stiefel schlitterten über den Marmorboden einer Nebenhalle. Sie nahm die Treppen in langen Sätzen, um ihn einzuholen. Ihr Herz jagte ihr voran.
Am Ende des Ganges zu ihren Zimmern war Ruben in die Verwandlung explodiert. Aus freien Stücken war es bestimmt nicht geschehen. Kleiderfetzen lagen um seine Pfoten verstreut. Das Fell gesträubt, fixierte er sie. Sie wagte sich nicht weiter vor. Der lange Gang trennte sie.
„Ruhig“, beschwichtigte sie ihn.
Er setzte sich, hob die Schnauze und heulte seine Frustration heraus. Der gedehnte Laut ging ihr durch und durch. Sie ging in die Knie, als könnte er sie besser verstehen, wenn sie auf Augenhöhe waren. Die Fackeln an den Wänden warfen lange Querstreifen in den Gang. Seine
Weitere Kostenlose Bücher