Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Vielmehr war es Aurora, auf die sie angewiesen waren. Tizzio mochte ihr derzeit nicht gewogen sein, doch sie war sein Mündel und Mica baute darauf, dass der rote Wolf ihr Gehör schenken würde. Zumal sie einen Plan zu haben schien, der den Frieden förderte. Weshalb sonst die Nachricht, er solle sich bereithalten?
„Sie hat dich dermaßen mit ihrer Hexerei benebelt, dass du nicht mehr klar denken kannst. Ich warte gewiss nicht auf sie, um euch beim Packen zu helfen.“
Ruben wurde wieder zu dem, was er war. Ein Krieger von unbeugsamem Willen. Ob dieser gegen eine Strega ankam, musste sich erst erweisen. Mica feixte.
„Du hast nicht begriffen, mit wem du dein Bett teilst, Garou. Aurora ist eine Strega und das ist nicht allein der italienische Ausdruck für Hexe. Eine Strega ist ihre Vervollkommnung. Dieser Titel ist den Oberhäuptern der Hexengilden vorbehalten. Laut Selene wird er ihnen nicht erteilt, sondern sie werden damit geboren.“
Erste Anzeichen von Unmut zeigten sich. Silberfunken verglühten in den graugrünen Augen. „Und weiter?“
„Und da du der Bruder von Cassian bist und ich vor ihm nicht in Erklärungsnot geraten will, halte ich eine Warnung für angebracht. Du solltest vorsichtig sein mit deinen Wünschen. Eine Strega kann sie dir nur allzu schnell erfüllen. In ihrem Übereifer, dir zu gefallen, könnte sie dir Schaden zufügen.“
„Ah“, machte Ruben süffisant.
Mica war keineswegs in der Stimmung, ihm das durchgehen zu lassen. „Aurora Braglia kann dir dein Bedürfnis nach Buße besser erfüllen, als es selbst meiner Mutter möglich war oder dir lieb ist. Sie ergründet gerade ihre Macht und ist weit davon entfernt, sie zu kontrollieren. Im Nachhinein würde sie natürlich bittere Tränen um dich weinen. Dann, wenn das Unglück bereits geschehen ist. Das ist die Natur der Strega. Immer ein kleines Stück neben dem ausgewogenen Maß.“
„Ich wüsste nicht, wofür ich büßen sollte.“
Ruben wusste es sehr genau. Seine verhärtete Schulterpartie verriet ihn. „Ich spreche von Schuld, Garou. Ich rede von der Bestie in dir, von dem Tod deiner Schwester und deiner abgründigen Sehnsucht nach Strafe für einen Vorfall, an dem du nichts ändern konntest.“
Der Werwolf versteinerte vollends. Blässe übertünchte die gesunde Bräune seiner Haut und seine Augen schienen tiefer in die Höhlen einzusinken. Schneidend setzte Mica nach.
„Alba, Gilian und du, gemeinsam im Mutterleib herangewachsen, nicht wahr? Deine Schwester wurde zu einem Monster und mordete, dein Bruder ist seit Langem nicht mehr er selbst, denn mir kam zu Ohren, dass er sein Londoner Revier kaum noch halten kann. Selbstverständlich kommt da die Frage auf, welcher Irrsinn in dir schlummern mag und ob es nicht klüger wäre, allem ein Ende zu machen, ehe er ausbricht.“
„Das stimmt nicht“, presste Ruben hervor.
„Mich kannst du nicht belügen. Ich wusste es sofort, nachdem du Selenes Angebot aufgegriffen hast. Kein anderer wäre bereit gewesen, sich ihrem Gift auszusetzen. Du spielst mit dem Feuer, in der Hoffnung, darin zu verbrennen. Diese Hoffnung kann sich schnell erfüllen, wenn du dein Leben mit einer Strega teilst. Du könntest ebenso gut den Tod zu einem Tanz ins Fegefeuer auffordern, denn du hast eine Frau gewählt, die dir ebenbürtig und in manchem sogar überlegen ist. Ein zweischneidiges Schwert. Du solltest darauf achten, dass du dir daran nicht die Kehle aufschlitzt.“
Ruben starrte ihn an und rang um Fassung. Seine Irritation war mit Händen zu greifen. Vage schüttelte er den Kopf. „Aurora würde niemals …“
„Wir alle wissen zu wenig über die Hexengilden und ihre Gaben, um zu beurteilen, was sie hervorgebracht haben. Nicht einmal Selene kann mit Bestimmtheit sagen, was eine Strega tun würde und was nicht.“
In Abwehr verschränkte Ruben die Arme. Seine Brust hob und senkte sich schwer. „Weißt du, was dein Problem ist, Vampir? Du gierst nach meinem Blut, und vor lauter Wut darüber, dass ich es dir nicht freiwillig gebe, kommt dir die Galle hoch.“
Dieser haarige Straßenköter sollte verflucht sein! Wäre Florine nicht und der Friede unabdingbar, er wäre dem Werwolf an die Kehle gegangen, um ihn bis zum letzten Tropfen auszusaugen.
„Mit einem hast du recht. Ich fürchte den Tod nicht. Sollte er durch Auroras Hand über mich kommen, akzeptiere ich es. Sie ist jedes Risiko wert“, schloss Ruben bestimmt.
Ein verhaltenes Räuspern zwang ihre Köpfe herum. Aurora
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