Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Hals und konzentrierte sich auf die Geräusche. Sein Instinkt schlug an, verriet ihm, dass die Gefahr draußen bleiben würde. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, setzte er vorsichtig eine Pfote vor die andere. Leise trafen seine Krallen auf Stein.
Er beschnupperte die Frau. Ihre Stiefel, ihre Beine, ihre Kniekehlen. Hm! Sacht stieß er die Nase in ihre Rippen, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie sollte ihn anfassen. Da sie sich schlafend stellte, schob er seine Nase dicht an ihr Ohr und grub sie in ihre Locken. Wind! Ein Geruch, der schon oft durch sein Fell gezaust war und ihm Botschaften sandte. Sie drehte den Kopf und sagte etwas. Weder unfreundlich noch einladend. Er trippelte unschlüssig mit den Vorderpfoten, gab ein bestimmendes Grunzen von sich und legte sich an ihrer Seite nieder. Stück für vorsichtiges Stück schob er sich an sie heran, bis er sich eng an sie drückte. Sie scheuchte ihn nicht fort. Der Wolf plusterte sein Fell auf und bettete seinen Kopf auf ihre Hüfte.
Weder störte ihn der harte Boden noch das Lärmen der Larvae. Ihre Hand hob sich und legte sich auf seinen Kopf. Wohlbehagen zog hinab bis zur Spitze seines Schweifes. Wieder sagte sie etwas, während ihr Leib weicher wurde und sie sich umdrehte. Sie legte ihren Kopf auf seine Flanke und er schloss die Augen. Das Kraulen in seiner Halskrause schickte ihn in einen leichten Dämmerschlaf, in dem sich die Unruhe des Mannes auflöste.
Eine gekalkte Wand vor der Nase war kein schöner Morgengruß. Anstelle einer Matratze spürte Aurora unter sich Stein, und es fühlte sich an, als sei sie daran festgefroren. Ein Schauder rieselte über Arme und Beine, ausgelöst von der Erinnerung an die Larvae. Der Morgen musste angebrochen sein, denn es war alles still. Das Ende der Nacht hatte die Larvae zurückgeschickt in ihre Gräber, wo sie bis zur nächsten Nacht Ruhe vor dem Fluch fanden. Sobald es dunkel wurde, würden die verfluchten Seelen auferstehen und auf ihrer Suche jedes Stadtviertel durchkämmen, bis sie auf die letzte Strega von Rom stießen. Es war nur ein Aufschub, eine kurze Verschnaufpause, die der Tag ihr gönnte.
Im Aufrichten zog sie eine Grimasse und rieb ihren Rücken. Sie war steif wie ein Brett und musste sich an der Wand abstützen, um auf die Beine zu kommen. An ihrem Mantel klebten schwarze Wolfshaare. Ruben hatte sich verwandelt und sie mit seinem Pelz gewärmt. Jetzt stand er an der Tür, in einem Hemd, an dem ein Ärmel fehlte und ohne seine Jacke. Ihr Groll war verflogen, nachdem er sich selbst der Lüge überführt hatte. Er neigte nicht zu sinnloser Brutalität. Der Wolf war nicht grob und der Mann konnte es auch nicht sein. Weshalb nur diese lächerliche Farce, die sie vom Gegenteil überzeugen sollte? Vermutlich wusste er nicht, dass die Hexengilden die Lüge zur Kunstform stilisiert hatten und selbst der Geringsten unter ihnen niemand etwas vormachen konnte.
Außerdem war da sein Kuss. Sie berührte ihre Lippen. Von Schmerz hatte er gesprochen, gespürt hatte sie nichts davon. Nurden Willen, zu erobern, und die Leidenschaft eines Mannes. Sein Kuss hatte ihr den Kopf verdreht, ihr den Atem entzogen, gleichwohl hatte sie keinen Moment das Gefühl gehabt, er könnte Gewalt anwenden und sich vergessen. Kontrollverlust war keine Unart der Alphawölfe. Selbst Tizzio verlor während seiner Ausbrüche niemals den Überblick über sein Rudel oder sein Territorium. Die Söhne der Luna konnten sich blindwütige Raserei nicht leisten, sonst wären sie im Kampf gegen die Vampire schon vor langer Zeit unterlegen.
Ruben zog die Tür auf, trat in den Gang hinaus und sah sich um. Zwielicht senkte sich auf ihn herab. Hier unten wurde es nie richtig hell. Der Boden vor der Tür war mit Asche übersät.
„Die Luft ist rein“, sagte er und sah über ihren Kopf hinweg an die Wand.
Kein Wort über den kurzen Augenblick der Nähe, als seine Lippen auf den ihren lagen. Sie schluckte eine spitze Bemerkung. Der Mann mochte keinen Gefallen an ihr finden, der Wolf hingegen schenkte ihr seine Zuneigung ohne Scheu. Zwei Herzen schlugen in seiner Brust, und nur eines davon hatte sie erobert.
„Geht es dir gut?“
„Hm.“
Mehr wollte sie dazu nicht sagen. Erstmals geküsst war sie zugleich zurückgestoßen worden. Wie konnte er da annehmen, ihr ginge es in irgendeiner Weise gut? Halbherzig klopfte sie ihren Mantel ab und ertappte sich, wie sie auf seinen Mund blickte. Feste Lippen, etwas zu groß für sein schmales
Weitere Kostenlose Bücher