Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
Frauentränen setzten ihn unweigerlich ins Unrecht, spülten jedes Argument fort, und die Tränen einer Jungfrau waren mithin das Furchtbarste, das er sich vorstellen konnte. Wenn sie mit diesem lautlosen Schluchzen nicht aufhörte, würde sie daran ersticken. Er musste etwas unternehmen.
„Du bist nicht abscheulich. So etwas habe ich nie von dir gedacht.“
Sie presste die Hand auf ihr Ohr. Er sah auf ihre Stiefel. Die Sohlen passten in seine Handflächen. Ihre kleinen Füße wühlten ihn maßlos auf. Nicht sie war es, die durchdrehte. Es war sein Hirn, das Blasen warf. Eine dieser Blasen platzte.
„Ich kann es dir erklären.“
Hölle, was wollte er denn erklären? Etwa den Unterschied zwischen einer harmlosen Liebschaft und einer Bindung mit einer Gefährtin? Dazu könnte er noch anbringen, dass er sich nicht aus der Bahn werfen lassen wollte, die ohnehin selten gerade verlief. Das würde sich unglaublich gut machen. Er nagte an der Innenseite seiner Wange. Vielleicht hatte sie ihn nicht gehört. Seine Hoffnung zerschlug sich. Sie drehte sich zu ihm um und rieb über ihre Augen. Sie blieben feucht. Ruben drückte sich enger an die Wand.
„Ich höre.“
Das hatte er von seinem Angebot. Es fehlte ihm an Erfahrung in solcherart Gesprächen, um sich geschickt herauszureden. Er sagte das Erste, was ihm in den Sinn kam. Und er sagte es, weil es ihn stark beschäftigte.
„Du bist unberührt.“
Sie nickte und wartete, dass er fortfuhr.
„Für eine Jungfrau ist ein Werwolf die denkbar schlechteste Wahl“, sprudelte er hervor.
„Weshalb?“
Die Frage erfüllte alle Voraussetzungen, um die Situation in den Sand zu setzen. „Weshalb“, echote er.
„Ja. Weshalb?“
„Weil … weil ein Alphawolf von seinen Trieben beherrscht wird.“
„Und was heißt das?“
Das Eis, auf das er sich begeben hatte, war so dünn, dass er es knirschen hörte. Er verstand sich nicht auf zartfühlende Worte, um etwas zu erklären, über das er selten sprach. Er lebte seine Bedürfnisse aus, ohne ausgiebig darüber reden zu müssen. Bisher war er lediglich auf Frauen zugegangen, die genügend Erfahrung besaßen. Eine Jungfrau war etwas ganz anderes. Er zwang seinem Gesicht einen harten Anstrich auf. Vielleicht schreckte Ingrimm sie von weiteren Fragen ab. Als er glaubte, düster genug zu wirken, fuhr er fort.
„Ich würde dir Schmerzen zufügen, das heißt es. Ein Werwolf ist nicht behutsam, und ich bin einer.“
Aurora maß ihn ab. Nicht im Mindesten verschreckt von seiner Miene. Zweifelnd runzelte sie die Stirn. Sie betrachtete seine um die Knie verschränkten Hände, kam anscheinend zu einem Schluss und durchbohrte ihn mit einem ungehaltenen Blick.
„Du redest Unsinn. So bist du nicht.“
Seine Absicht war fehlgeschlagen. Anstatt ihm zu glauben, fällte sie ihr eigenes, etwas abwegiges Urteil. Vermutlich hatte sie keinen blassen Schimmer, worüber er gesprochen hatte.
„Es wird sehr wehtun, Aurora. Du hast keine Erfahrung mit Männern, geschweige denn, mit solchen wie mir. Mein Naturell ist Aggression und diese zeigt sich nicht nur im Kampf.“
Ein klein wenig Flunkern sollte gestattet sein, denn seines Wissens nach hatte er noch keine Frau verletzt. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Du belügst mich. Ich sah den Wolf. Er ist liebenswert und mir gegenüber keineswegs aggressiv oder auch nur rücksichtslos. Er ist ein weitaus angenehmerer Geselle als du.“
Damit drehte sie ihm wieder den Rücken zu und beendete die Unterhaltung. Soweit zu seiner Begabung im Umgang mit jungfräulichen Hexen. Sie täuschte sich nicht in seiner Wolfsnatur. Dem Wolf war es genug, sich in der Nähe einer Frau aufzuhalten und sich kraulen zu lassen. Eine bisher einmalige Erfahrung, da offenbar nur Hexen genügend Leichtsinn aufbrachten, um ein Raubtier anzufassen. Der Wolf konnte ihr nah sein, ohne auf Dummheiten zu verfallen. Hier und jetzt konnte er sie zudem durch sein dickes Fell besser gegen die Kälte schützen. Es war eine Zumutung, sie auf blankem Boden liegen zu sehen, die Knie eng angezogen, die Arme um sich verknotet. Sie fror.
Ohne ein Geräusch zu machen, stand er auf und streifte seine Kleidung ab. Sie merkte nichts davon, als er auf Hände und Knie ging. Die Verwandlung saugte die Luft an und gab sie in einem leisen Laut, ähnlich einem Kuss, wieder ab. In den Wolfsohren war das Prasseln gegen die Tür extrem laut. Jeder Flügelschlag wurde von seinem Gehör aufgefangen. Die Zähne gefletscht, reckte er den
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