Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
regungslos über Daxx’ Schulter hing. Von dort aus hätte es wahrscheinlich zu lange gedauert, die Situation zu erfassen, einzuschätzen und in den Griff zu kriegen. So aber hatte ich sofort einen Überblick über alles und konnte reagieren. Wie sich zeigte, war es die richtige Entscheidung gewesen.
Wir befanden uns weder auf dem Flugfeld, noch in einer der Warte- oder Eingangshallen des DFW. Dieser Gebäudeteil schien ein riesiger Aufenthaltsraum für Flugpersonal zu sein, mit Sitzbänken, Spinden und Tischchen. Es waren über z wanzig Personen anwesend, größtenteils in Piloten- oder Flugbegleiteruniformen, einige wenige in Zivilkleidung und zwei von ihnen in einer Art Polizeikluft.
Flughafenpolizei.
Beide waren bewaffnet und hielten ihre Smith&Wesson 990 in der Hand, statt sie im Holster zu tragen. Einer der beiden, ein hochgewachsener Rotschopf mit Sommersprossen, hielt seine Waffe mit beiden Händen umklammert. Eine in der Zeit eingfrorene Wolke aus Rauch und Pulver schwebte regungslos vor ihrer Mündung, und nur wenige Fuß davor ein kleines dunkles Projektil, das auf die Entfernung fast wie eine fette Fliege aussah.
Daxx kauerte, halb in der Hocke, geschützt hinter einer Sitzbank. Ich wunderte mich, wie er das mit meinem Gewicht auf der Schulter aushalten konnte. Stramme Waden. Vielleicht lag es aber nur daran, dass die Zeit zu einem kompletten Stillstand gekommen war. Na ja, fast. Bei genauerem Hinsehen wurde mir klar, dass alles nur extrem verlangsamt ablief. Alain hingegen befand sich genau in der Schussbahn, ungeschützt. Wahrscheinlich hatte er Daxx mit mir vorgeschickt und versuchte nun, uns zu folgen.
Mein unfreiwilliger Besuch bei Rose hatte ihm offensichtlich die Fähigkeit der Zeitkontrolle genommen, oder aber ich hatte mich im Krankenhaus zu sehr auf die Dinge dort konzentriert. Wie auch immer, jetzt stand alles fast still, Alain und Daxx eingeschlossen. Ich ließ die Ruhe auf mich wirken und nahm mir sogar die Zeit, das Projektil mit meinem seltsamen Geistwesen zu umkreisen. Ich betrachtete genau seine konkave, zylindrische Form, die es verändern sollte, sobald es auf etwas oder jemanden auftraf. Ich sah die winzigen Pulverspuren und Partikel an seiner Rückseite. Reste der Kraft, die es vorantrieb.
Ein kleines Stück weiches Metall. Bleiplatten von einem Viertelinch lassen sich beinahe wie Knetgummi mit bloßen Händen verformen. Man kann es sogar in dünnen Schichten mit dem Fingernagel abschaben, so nachgiebig ist es.
Und doch kann es töten, wenn der Impuls nur groß genug ist. Der Impuls verleiht ihm Macht. Bei gleichbleibender Masse ist er nur von der Geschwindigkeit abhängig, also von dem Weg pro Zeit. Und von der Richtung des Weges.
Vielleicht geht es darum im Leben. Wenn man die Zeit beherrscht, muss man nur noch den richtigen Weg kennen, um den größtmöglichen Impuls, die größtmögliche Kraft zu erhalten. Mein Weg – unser Weg – war mir nun klar. Es gab für mich nur den einen, nämlich den meiner Freunde, denen ich vertraute, die ich liebte und von denen ich mit Sicherheit sagen konnte, dass sie den richtigen Weg gingen. Und genau das verlieh mir das Maximum an Kraft, das ich mir so sehr herbeigesehnt hatte, um ihnen damit wiederum zu helfen.
Und mir, im physischen, wie auch im psychischen Sinn.
Was das kleine Stück Blei betraf, so hatte es genügend Kraft und die entsprechende Richtung, um wie der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings nicht nur ein Leben auszulöschen, sondern eine gigantische Reihe von Veränderungen in Raum, Zeit und Dimensionen auszulösen. Einfach dadurch, dass es Alain tötete.
Ich sah in den Sicherheitsleuten des Flughafens keine Feinde. Sie taten nur ihren Job, der, nach den sich häufenden Attentaten der letzten zwei Jahrzehnte, schwierig genug war. Sie konnten nicht wissen, dass wir nichts Böses im Sinn hatten. Trotzdem stellten sie im Moment ein Problem dar, also musste ich jetzt schnell und effektiv vorgehen. Meine Kopfschmerzen waren nach der Rückkehr aus der Villa beinahe ganz verschwunden, aber ich wollte mein Glück nicht auf die Probe stellen. Ich konnte nicht genau abschätzen, wie viel Kraft mir noch blieb, und die Tatsache, dass ich es nicht mehr fertig brachte, die Zeit gänzlich zu stoppen, war ein deutliches Zeichen dafür, es nicht zu übertreiben.
Als erstes schlüpfte ich in meinen Körper zurück und berfreite mich aus Daxx’ Griff. Dann schob ich Alain und die junge Stewardess hinter ihm aus der
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