Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
presste, während meine Tränen unaufhaltsam meine Wangen hinunterliefen. Ich schluchzte.
Rose zog mich, ohne, dass ich es bemerkte, zu sich auf die Bettkante und nahm mich in ihre Arme. Sie schien nicht mehr als ein Skelett mit Haut zu sein, dennoch war ihr Griff fest und beschützend. Warm. Tröstend.
„Ich weiß, Liebling. Nichts ist schlimmer, als zu erfahren, dass unsere Vergangenheit anders war, als wir glaubten, dass sie war. Denn sie formt unsere Gegenwart. Sie macht uns zu dem, was wir sind. Wird sie verändert, verlieren wir unseren Halt. Aber Begriffe wie Vergangenheit und Gegenwart haben für dich nur noch eine beschränkte Bedeutung. Und dennoch hast du Glück, denn deine neue Vergangenheit – die Wahrheit – bestätigt dich nur in dem, was du jetzt sein musst, um deinen Freunden zu helfen. Mehr, als dir jetzt schon bewusst ist.“
Ihre letzten Sätze gingen in einem emotionalen und gedanklichen Wirbel in meinem Kopf und in meinem Herzen unter, aber ich sollte mich später an ihre Worte erinnern. Im Moment war für mich nur wichtig, dass ich ihr glaubte. Mein früheres Leben, das vor der Villa, war nichts weiter als ein aus der Notwendigkeit einer liebenden Frau heraus inszeniertes Theater. Ich machte meiner Mom keinen Vorwurf daraus, im Gegenteil, ich liebte und bewunderte sie dadurch nur um so mehr, so fern das noch möglich war. Die letzten Gefühle meinem Vater gegenüber verstärkten sie nur noch. Ich hatte ihn kurz vor seinem Tode gehasst, nicht weil er mich, sondern meine Mom bedroht hatte. Der jahrzehntelange Zweifel an diesen Gefühlen wurde nun durch neues Wissen über meine Vergangenheit weggewischt. Und somit eine schwere Last von meinen Schultern durch eine neue ersetzt, nämlich die Schuld meiner Mom gegenüber. Wie sollte ich die Hölle auf Erden, die sie durch mich erlitten hatte, jemals wieder gut machen?
„Ich bin froh, dass du mir glaubst, auch wenn ich dir damit sehr wehgetan habe. Ich handele nicht aus Eigennutz. Mein Leben hat schon lange genug gewährt. Ich sorge mich um meine Kinder, so wie deine Mutter sich um dich gesorgt hat. Aber es ist die Wahrheit. Sie ist tief in dir verborgen und ich habe sie nicht erschaffen, sondern nur geholfen, sie zu Tage zu fördern. Erwachsene unterschätzen Kinder nur allzu gern und denken, ihnen würde so vieles verborgen bleiben. Aber Kinder sind viel aufmerksamer, als man gemeinhin denkt. Und nicht so leicht zu täuschen, nur zu verwirren. Du trägst die Stärke deiner Mutter in dir, also nutze sie nun, da du sie kennst, um denen zu helfen, die dir lieb sind. So, wie sie es getan hat. In dir steckt viel mehr, als du bislang für möglich gehalten hast, mein Junge. Konzentriere dich nicht nur auf den Schwächsten. Im Gegensatz zu dir sind alle schwach, bis auf einen. Aber du kannst ihnen allen helfen. Und wenn der Moment kommt, an dem du dem Bösen gegenüber stehst, dann lass dich nicht durch Äußerlichkeiten und falsche Emotionen verwirren. Denk an die Werte, die wichtig sind. Denk an die Stärke deiner Mutter. Denk an das, was du weißt.“
Samstag, 30. Juni 2012 – 14:23 Uhr
Fort Worth
Allgemeine Raumzeit
Die angenehme Wärme von Roses Umarmung wich einer grauen Kälte, genau wie das melodische Vogelgezwitscher lauten Schreien einiger verängstigter Menschen wich. Aber nur für den minimalen Zeitraum des Flügelschlags eines Kolibris. Ich hörte gerade noch Daxx’ Schrei heraus: „– sicht! Nein!“, dann war es fast absolut still. Hier war nur der minimale Zeitraum vergangen, den sein Gehirn benötigt hatte, um den gedanklich formulierten Befehl durch die Vibrationen seiner Stimmbänder in vernehmbare Schallwellen zu verwandeln.
Dann hatte ich die Zeit, alle Zeit, außer der meinen und der Luft in meiner direkten Umgebung, komplett angehalten.
Auszeit, im wahrsten Sinne des Wortes.
Es war ein Reflex gewesen, da ich wusste, dass zumindest Alain in Gefahr war. Aber mehr als das hatte ich mir diese Auszeit herbeigewünscht, für mich. Ich hatte so vieles erfahren, über das es sich nachzudenken lohnte, dass ich erst einmal verdauen musste. Aber so paradox es klingt, als jemand, der die Zeit beherrscht, blieb mir keine für einen derartigen Luxus. Der Vorgang benötigte zu viel meiner Energie. Die Verarbeitung meiner Emotionen musten noch warten.
Ich befand mich wieder am Flughafen, aber noch nicht in meinem Körper. Das wäre auch nicht mein Ziel gewesen, da er, wie ich es vermutet hatte, noch immer
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