Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
doch nicht jetzt mein ganzes Pulver verschießen.“
„Außerdem kämen wir damit nicht so unbemerkt davon, wie mit den Drahtzäunen“, warf Daxx ein. „Wer weiß – für den Fall, dass Jul es schafft – wie lange wir drinnen brauchen, um den Doc zu finden? Er muss sich schonen.“
Ich wiederholte das Gesagte für Alain, Wort für Wort. Mir war schlecht.
„Lass der Zeit erst mal ihren normalen Gang“, sagte Alain. „Hier sind wir vorerst in Sicherheit. Dann können wir über Alternativen nachdenken.“
Erleichtert gab ich die Zeit frei. Ein Teil der Schmerzen verschwand, aber ein bösartiger Rest blieb. Die trostlose Stille wurde erfüllt vom Flüstern des Windes in den Blättern des näher gelegenen Waldes und den leisen Gesang der Vögel. Erstaunlich, wie befriedigend manchmal Kleinigkeiten sein können.
„Und was jetzt?“, fragte Alain.
„Ich habe eine Idee“, sagte Daxx. „Aber ich weiß nicht, ob sie funktioniert.“
Daxx erklärte mir seinen Plan, der von wenns und abers nur so wimmelte, und ich fasste ihn für Alain zusammen. Er war alles andere als begeistert, trotzdem stimmte er einem Versuch zu, mit einem Zeitlimit von maximal dreißg Minuten. Sollte sich bis dahin nichts ergeben, würden wir es auf seine Art versuchen. Daxx und ich willigten ein.
Wir warteten.
Nach etwas über einer Viertelstunde tauchten die Wachleute wieder auf. Wir drückten uns an die Säule und blieben unentdeckt. Da wir uns im Windschatten befanden, konnten wir auch nicht von dem Schäferhund gewittert werden. Sie passierten die geflickten Stellen im Zaun, ohne sie zu bemerken. Dann waren sie wieder verschwunden. Dreiundzwanzig Minuten waren seit Alains Ultimatum vergangen.
Daxx begann, sich auszuziehen.
„Was machst du?“, fragte ich nervös. „Du weißt doch gar nicht, ob noch ein Lieferwagen kommt.“
„Stimmt. Aber ich will bereit sein“, antwortete er, entfernte seinen blutigen Verband und seine Ohrringe, und streifte sich zuletzt seinen Slip ab. Er stand nun nackt vor uns, aber nur ich konnte ihn sehen. Dafür war ich tatsächlich ein kleines bisschen dankbar.
Daxx machte ein paar Schritte auf mich zu, legte seine Arme um meine Hüften und schmiegte sich sanft an mich. Ich sah ihm direkt in seine asiatisch geformten Augen, deren Weiß zwischen der dunklen Haut und der fast schwarzen Iris beinahe leuchtete. Mit meinen Händen berührte ich seinen Rücken und streichelte ihn langsam.
Sechsundzwanzig Minuten.
„Es wird funktionieren“, flüsterte Daxx. Er küsste mich, nicht richtig, nur eine weiche Berührung unserer Lippen. Trotzdem vergaß ich für einen Moment meine Schmerzen. Dann setzte er sich im Schneidersitz hin, senkte seinen Kopf und wurde still. Er verfiel in eine Art Trance.
Als er mir seinen Plan erläutert hatte, erzählte er mir von einem Meditationslehrer, der Bestandteil seiner – eigentlich Sinhs – Schulung neben den regulären Privatlehrern in der Schweiz gewesen war. Dieser Tibeter hatte ihm beigebracht, wie der Geist den Körper beherrschen konnte. Ein derartiger Ablauf erforderte sehr viel Konzentration und Selbstbeherrschung. Beides hatte ihm sowohl damals, als er unterrichtet wurde, als auch während unserer Fahrt hierher gefehlt. Früher war er noch zu kindisch, vor kurzem noch zu unkonzentriert gewesen. Aber jetzt wusste Daxx, worauf es ankam. Keine Flausen im Kopf, keine Spielerei mehr, jetzt ging es um unser aller Leben.
Ich konnte sehen, wie sich seine Muskeln entspannten, während sein Kopf auf die Brust sank. Er tauchte immer tiefer in eine Welt ein, die mir verborgen blieb. Sein Brustkorb hob und senkte sich in immer längeren Abständen. Dann sah ich, wie sein Körper tatsächlich an Substanz verlor. Die leichten Unregelmäßigkeiten in der Betonsäule, vor der er saß, wirkten zuerst wie Schatten auf seiner Haut. Als nächstes nahmen sie konkretere Formen an. Daxx verschwand tatsächlich. Sein Körper wurde unsichtbar, trotzdem vernahm ich noch das leise Geräusch seines Atems.
Ich überlegte, ob ich Daxx ansprechen sollte. Dass ich ihn nicht mehr sehen konnte, machte mich nervös. Andererseits wollte ich ihn nicht aus seiner Konzentration holen.
„Und?“, fragte Alain, womit er mir zuvor kam. „Die Zeit ist gleich um.“
Er hatte Daxx‘ Erklärungen vorab nicht hören können, aber aus meinen Teil der Diskussion über den Plan abgeleitet, was wir vorhatten.
„Scht. Er hat es geschafft“, flüsterte ich. „Er ist unsichtbar.“
„Für
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