Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
Abend wurde ich munter.
„Wirklich? Woher?“
„Ich begegnete ihnen, kurz bevor ich hierher geschickt wurde. Außergewöhnliche Jungs. So wie du.“
„Wer waren sie?“
Jetzt sah Alain mich an.
„Später. Du wirst ihnen vielleicht sogar begegnen, wenn ... wenn das hier vorbei ist.“
Die Vorstellung machte mir Angst, aber ich war auch aufgeregt.
„Wer? Und wo? Sag schon.“
„Nicht jetzt“, antwortete Alain und drehte sich ganz zu mir um, den rechten Arm immer noch auf das Geländer gestützt. Eine Böe erfasste uns, aber sie hatte viel von ihrem heißen Potential des Tages verloren und war eher angenehm.
Ich wusste, dass es nichts brachte, nachzuhaken. Wenn Alain etwas für sich behalten wollte, tat er es auch. Er strich mir eine Locke aus dem Gesicht.
„Im Augenblick sollten wir uns lieber auf die Gegenwart konzentrieren“, sagte er und lächelte. „Mit allem, was dazu gehört. Ich weiß, der Begriff hat für uns an Bedeutung verloren, aber hier und jetzt müssen wir ihn uns erneut verinnerlichen. Wir wurden Teil einer anderen Lebensform, nicht höher oder niedriger als die unsere, nur eben anders. Wir wurden ausgesucht. Trotzdem bleibt die Entscheidung uns überlassen, ob wir uns unserer Bestimmung beugen oder unseren eigenen Weg gehen. Niemand zwingt uns, unsere Pflichten zu erfüllen, auch wenn es manchmal den Anschein hat. Aber wir sollten niemals vergessen, dass Pflichterfüllung auch seine schönen Seiten haben kann.“
Ich verstand nicht wirklich, wovon Alain sprach. Noch während ich über seine Worte nachdachte, öffnete er die Knöpfe an meinem Shirt, vom Hals angefangen bis zur Schulter. Der vordere Teil des Stoffes klappte herunter und entblößte meinen Nacken und mein Schlüsselbein. Eine Einladung, wie für Vampire.
Daxx.
Alain strich mit seinem Zeigefinger über die nackte Haut meiner Schulter. Ich zog nervös an meiner Zigarette.
Das Prinzip aufgeteilter Liebe, die wir Söhne der Rosen empfinden konnten, ist für Außenstehende wahrscheinlich ebenso schwer nachzuvollziehen, wie die Vorstellung mehrdimensionaler Zeit. Nicht nur die physikalischen Regeln, auch die emotionalen waren bei uns anders. Wenn man einen Menschen von ganzem Herzen liebt, dann liebt man nur ihn, im Idealfall für den Rest des eigenen, linearen Zeitablaufs. Aber für uns lief die Zeit nicht linear; vielleicht waren wir dadurch in der Lage, unseren Vorgänger genau so zu lieben, wie unseren Nachfolger – ohne Einschränkungen. Und nach unserer Zeit in der Villa teilte sich unsere Existenz sowieso auf: Ein Teil würde sein reguläres Leben weiterführen, ein Teil zusammen mit seinem Vorgänger, ein Teil mit seinem Nachfolger. In jedem dieser Drittel wäre die Liebe dann wieder einzigartig und unabhängig voneinander.
Ich befand mich in einer Sonderposition. In der Regel hatte man einen Nachfolger, nicht zwei beinahe identische. Und normalerweise begegnete man auch nicht seinem Vorgänger, wenn man seinen Nachfolger kennengelernt hatte, jedenfalls nicht in realer Zeit. Soviel hatte ich begriffen.
In meiner Lage fühlte ich mich zu allen dreien gleichermaßen hingezogen. Und hier stand ich nun allein mit Alain in dieser Einöde, ließ mich von seinen tiefgrünen Augen einfangen und spürte seine Berührung auf meiner Haut, sah sein Muskelspiel unter dem engen Shirt, als er seinen Finger bewegte und gleichzeitig einen beinahe sinnlichen Zug seiner Zigarette nahm, die cool in seinem Mundwinkel hing.
„Ich denke, du solltest vielleicht noch mal mit Sinh und Daxx reden, bevor du schlafen gehst“, sagte Alain für mich vollkommen unerwartet. „Sie brauchen ein bisschen Unterstützung.“
Ich nickte stumm. Er lächelte.
„Was mich betrifft, ich werde gleich schlafen gehen. Und du weißt ja, wenn ich schlafe, dann schlafe ich so tief, dass ich nichts mehr mitbekomme.“
Sein Lächeln wurde noch eine Spur freundlicher. Er schnipste seinen Zigarettenstummel in den Wüstensand.
„Nicht einmal, wenn die Wände so dünn sind, nes pas?“
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich ließ meine Zigarette fallen und nahm Alain in den Arm.
„Gute Nacht“, flüsterte ich. „Und danke.“
Er kniff mir ein Auge zu. Ich küsste ihn, diesmal nicht auf die Stirn, sondern auf den Mund. Seine Lippen waren sanft und süß wie immer.
„Ich schlage vor, wir machen es so wie heute früh“, sagte Alain, als er seine Tür aufschloss. „Wecken um sieben, Abfahrt um acht. Macht nicht mehr zu
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