Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
Ich hatte schon einmal erwähnt, wie kompliziert und für den Normalsterblichen schwer nachvollziehbar die Emotionswelt eines zeitlosen Villabewohners ist. Wir sind in der Lage, Liebe, die wir geben, auf mehrere Menschen aufzuteilen und dennoch jedem einhundert Prozent zukommen zu lassen, als würde es keinen anderen geben. Das ist kein Betrug, weder an dem Anderen, noch an sich selbst; es ist schlicht und ergreifend möglich, weil die normalen Gesetze der Raumzeit aufgehoben sind. Im Gegensatz zur Liebe scheint Eifersucht allerdings ein zeitloses Gefühl zu sein, so traurig das klingen mag.
„Komm doch rein“, sagte Daxx, ohne zu zögern oder sich etwas anmerken zu lassen. Ich hatte eine ungefähre Vorstellung davon, wie blass und kränklich ich aussehen musste. Beide hatten bereits geduscht, denn Sinh, der auf der Bettkante saß, trug nur ein Handtuch um seine Hüften, genau wie Daxx, der nun die Tür hinter mir schloss. Meine Imagination verwandelte das Bild, das mir die beiden Brüder boten, mit aller Grausamkeit in das von Alain und Julio.
„Sind die für uns?“, fragte Sinh und deutete auf die Dosen.
„Yo, willst du noch eine letzte Lokalrunde schmeißen, Jul?“
„Ich dachte“, sagte ich, räusperte mich und fing noch mal an. „Ich dachte, ihr hättet vielleicht gern etwas zu Trinken für die Nacht. Meine Kehle ist jedenfalls völlig ausgedörrt.“
Das entsprach leider absolut der Wahrheit.
„Klar, die Idee ist voll fab. Danke“, sagte Sinh und stand auf.
„Geht’s dir nicht gut, Jul? Du siehst ein bisschen blass aus, weißer Junge. Dir ist der Tequila nicht bekommen, oder?“
„Daxx hat Recht. Komm her und setzt dich erst mal.“
Ich gab keine Widerworte und setzte mich zwischen die beiden auf die Bettkante.
„Das gibt es doch nicht“, sagte Daxx und lächelte. „Whiskey verträgst du literweise, aber nach ein paar Tequilas machst du schlapp.“
„Macht euch keine Sorgen, ich sehe wahrscheinlich schlimmer aus, als es ist“, antwortete ich, dachte aber, dass alles noch sehr viel schlimmer war, als ich aussah.
Mein Verstand und mein Herz, beide geistig personifiziert zu zwei Theaterdarstellern einer dramatischen Tragödie, lieferten sich einen heftigen Wortwechsel. Mein Herz bestand darauf, dass ich an Alains Taten, die gerade zwei Zimmer weiter wahrscheinlich stattfanden, gefälligst zu zerbrechen hätte. Mein Verstand konterte, dass es erstens Alains Sache wäre, zweitens nichts an der Beziehung zwischen ihm und mir ändern würde und drittens, dass es nur fair wäre, da ich mich schließlich letzte Nacht mit den Zwillingen vergnügt hatte, während er, nur wenige Tage seiner Zeitrechnung nach unserer Trennung, dieses Vergnügen sogar befürwortet hatte. Ohne Rücksicht auf seine Gefühle. Ich hasste meinen Verstand, vielleicht gerade, weil er Recht hatte. Dann aber machte er eine weitere Bemerkung, welche die Wirkung eines warmen Sonnenstrahls hatte: Wer sagt dir eigentlich, dass Julio überhaupt schwul ist? Ich konnte den Gedanken nicht lange genießen, da die Stimme meines Herzens mit spöttischem Unterton fragte, was Julio wohl sonst um diese Urzeit auf Alains Zimmer wollte. Sie hatten sich auf Anhieb blendend verstanden, perfekt zusammen gespielt, sich allein vor dem New Yorker unterhalten und darüber hatte Alain sogar vergessen, in den Laden nachzukommen.
Mein Verstand wollte wissen, ob ich langsam homophob werde?
Sinh unterbrach diesen inneren Dialog, indem er mir von hinten seine Hände auf die Schulter legte, meinen Oberkörper sanft in Daxx’ Richtung drehte und mich langsam zu massieren begann. Daxx sah mich mit einem kindergleichen Lächeln an, bevor ich meine Augen schloss und die angenehme Wärme genoss, die von Sinhs Händen ausgehend durch meinen Körper strömte. Dank der wohltuenden Energie gelang es mir, die letzten Argumente meines Verstandes wie einen Singsang zu wiederholen.
Wer sagt dir eigentlich, dass Julio überhaupt schwul ist?
Wirst du langsam homophob?
Wer sagt dir eigentlich, dass Julio überhaupt schwul ist?
„Du bist total verspannt, G-Man. Kein Wunder, nach allem, was du bis jetzt durchgemacht hast. Lass mal ein bisschen locker.“
Als Ausgleich zu der kräftigen Massage ließ Daxx seine Finger sanft über mein Gesicht und meine Brust gleiten. Das Schönste dabei war, dass sich nicht nur meine Muskeln entspannten, sondern auch meine Denkprozesse. Es tat so unendlich gut. Sinhs Handballen drückten in kreisenden Bewegungen auf
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