Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)
Sonne funkelnd. Er wirkte zwei Fuß größer, als er normalerweise war. Er legte keine Unterlagen auf das Podest, also hatte er seine Rede gut vorbereitet, oder wollte improvisieren. Als der Applaus verstummte, begann er.
„Bürger von Amerika. Ich bin froh, hier und heute vor Ihnen sprechen zu können, auf dieser Bühne und vor diesem Mikrofon, schon allein, weil ich Angst haben muss, dass mir sonst keiner zuhören würde.“
Allgemeines Gelächter und jubelnde Zurufe.
„Wir feiern diesen Tag, in Gedenken an unsere mutigen und stolzen Vorfahren, die einem falschen System getrotzt haben, die genug Rückgrad besessen haben, für ihren Standpunkt einzustehen, sich aus der richtigen Überzeugung gegen einen mächtigen Feind gestellt haben, der ehemals ein Verbündeter, ein Freund, eine Familie gewesen war. Diese Menschen haben gekämpft und sind gestorben, damit wir alle das Geschenk der Freiheit genießen dürfen.“
Erneute Zurufe und Applaus.
„Aber wir sollten ihre Opfer nicht dadurch beschmutzen, dass wir glauben, Freiheit wäre ein immerwährendes Geschenk. So etwas gibt es nicht. Das Leben ist ein ständiger Kampf, auch, wenn die Dinge um uns herum selbstverständlich erscheinen. Wir genießen die Vorzüge einer unabhängigen Demokratie, deren Grundstein unsere Vorväter gelegt haben, doch eben diese Demokratie ist heute, nach 221 Jahren, in ständiger Gefahr. Wir sind eine der größten Weltmächte, das steht außer Frage.“
Wieder Jubel.
„Aber die Geschichte lehrt, dass vor uns schon andere Weltmächte zerbrochen sind. Die Gründe waren immer die selben. Mangelnde Führung, Dekadenz, Überheblichkeit und falsches Denken in den eigenen Reihen. Wir Amerikaner sind weder dekadent noch überheblich. Jeder gute Bürger weiß, worauf es ankommt.“
Es folgte erneuter Applaus, an dem ich nur noch halbherzig teilnahm.
„Wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Feinde gibt es immer, in Kriegs-, wie auch in Friedenszeiten. Von außen, wie auch von innen. Die von außen erkennt man schnell; sie werden angetrieben von überzeugtem Glauben, auch, wenn er falsch ist. Es macht sie ehrbar, zu würdigen Gegnern. Die von innen sind schlimmer. Sie verbergen sich feige hinter einer Maske aus Freundschaft und Liebe. Sie schwächen heimtückisch ein System, um seine Grenzen für den offensichtlichen Feind zu öffnen. Sie sind wie eine Krankheit, wie ein Virus, der seinen wohlwollenden Wirt zu Grunde richtet. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir alle sind Amerikaner, ein Volk, eine Familie.“
Die Zurufe wurden lauter als zuvor. Mir allerdings war nicht mal mehr nur nach Klatschen zumute.
„Als solche müssen wir zusammenhalten. Uns jeden Tag aufs neue dem Feind stellen. Unsere Gesundheit, unsere Freiheit beschützen und sie verteidigen; wenn nötig, mit unserem Blut. Jeder, der nicht dazu bereit ist, hat kein Recht, heute hier zu sein. Aber ich bin mir sicher, dass alle Anwesenden meiner Mei nung sind. Wir sind bereit, unser teuer bezahltes Geschenk in Ehren zu halten. Unserer Vorfahren zu gedenken. Und wir sind stolz darauf, echte amerikanische Bürger zu sein. Ich danke Ihnen. Sie alle machen meinen Auftrag leichter.“
Der abschließende Applaus sprengte alles an diesem Tag da gewesene. Die Menge war außer sich, selbst Diane und ihre Eltern klatschten enthusiastisch.
„Das ist echt dein Vater?“, fragte Diane, bemerkte, dass ich nicht applaudierte, äußerte sich aber nicht dazu. „Der Mann weiß aber, wie man Massen begeistert. Und jetzt sehe ich auch, von wem du deine tolle Figur hast.“
Ich schenkte Diane ein verlegenes Lächeln, das so gekünstelt rüberkam, dass ich es mir auch hätte sparen können. Vielmehr konzentrierte ich mich auf meine Mum, und ihr Gesichtsausdruck zeigte mir, dass wir denselben Gedanken hatten. Die Ansprache, so patriotisch und aufbauend sie für die Bewohner von Cape Orchid geklungen hatte, war einzig und allein an zwei Menschen in der Menge gerichtet gewesen.
Und es sollte eine Warnung sein.
Wenig später gesellte sich der General zu uns. Er war bester Laune, kam sofort mit Diane ins Gespräch und schien sie offenbar auf Anhieb zu mögen, im Gegensatz zu ihren Eltern, die er zwar freundlich, aber mit einer Spur Geringschätzigkeit behandelte. Zumindest in der Hinsicht konnte ich ihn verstehen, denn er war das genaue Gegenteil von Dianes Vater, der ein furchtbar langweiliger Spießer zu sein schien.
Wir blieben bis zum Feuerwerk am Strand. Ich
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