Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)
unmerklich zusammenzuckte, aber ebenso schnell schaltete, wie ich es getan hatte.
„Ich habe sie vorhin an der Ecke Old Bellow Road entdeckt, aber wir hatten uns gestern abgesprochen, nicht in der Öffentlichkeit miteinander zu reden. Noch nicht.“
„Meinst du denn, so etwas würde der General mitbekommen?“
„Glaub mir, Julian, dein Vater ist nicht zu unterschätzen. Er hat mehr Augen als eine Fliege und kann ziemlich schnell kombinieren, auch wenn er manchmal den Fehler macht, durch persönliche Emotionen die Ergebnisse zu verfälschen. Früher war das nie so, sonst hätte er seinen hohen Posten nie bekommen. Aber in den letzten Jahren, und ganz besonders in den letzten Wochen, ist es immer schlimmer mit ihm geworden.“
„Ob das mit seiner Versetzung zusammen hängt?“
Bevor mir meine Mum die Frage beantworten konnte, legte sich eine Hand von hinten auf meine Schulter.
„Julian?“
Es war Diane. Sie trug eine luftige, bunte Bluse, schwarze Jeans und wirkte so ausgelassen, wie ich sie seit unserer ersten Begegnung noch nicht erlebt hatte. Der vierte Juli brachte scheinbar bei jedem von uns das Beste zum Vorschein, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Ich freute mich, sie zu sehen, obwohl ich gerne das Gespräch mit meiner Mum fortgesetzt hätte.
„Toll, dass du auch hier bist. Ich dachte schon, dass ich hier niemand bekanntes sehen würde. Ist das deine Mutter?“
Etwas überrumpelt stellte ich die beiden einander vor.
„Sie sind auch erst vor kurzem hierher gezogen, Mrs. Grifter. Wie gefällt es Ihnen denn in Cape Orchid?“
„Eigentlich ganz gut. Ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber die Leute hier sind recht nett. Und nenn mich bitte Joan, Mrs. Grifter klingt so förmlich.“
„Gerne. Sie haben recht, besonders an einem Tag wie diesem. Auch, wenn keine Außerirdischen landen.“
Damit spielte Diane auf den Blockbuster Independence Day vom Vorjahr an.
„Stimmt. Der Film war schon beeindruckend, obwohl meine Erwartungshaltung nach all der Werbung zu hoch war. Denk nur an den Spot beim Superbowl. Außerdem war er eine Spur zu patriotisch.“
„Und das, obwohl ein Deutscher Regie geführt hat.“
Und einige der Darsteller – unter ihnen der gutaussehende James Duval – Schwule in anderen Filmen gespielt hatten, dachte ich. Es war schon seltsam, wie sich Militär und Homosexualität vereinigen ließen. Jedenfalls hatten die beiden Frauen auf Anhieb eine Menge Gesprächsstoff, denn Diane schien Filme ebenso zu mögen wie meine Mum und ich. Ich nutzte ihre Unterhaltung, mich nach Alain umzusehen. Vergeblich. Wenn er hier war, konnte ich ihn in dem Trubel nicht entdecken. Stattdessen fiel mir ein älteres Paar auf, das sich uns langsam näherte. Er sah aus, wie ein zu groß geratener Pinguin und sie wie eine reiche Alkoholikerin aus einer typischen Soapopera der achtziger Jahre. Als Diane sie ebenfalls bemerkte, winkte sie.
„Das sind meine Eltern“, sagte sie und wartete, bis sich das fehl am Platz wirkende Ehepaar zu uns gesellt hatte. Dann stellte sie uns einander vor. Vielleicht war das der Grund für Dianes gute Laune gewesen: Die Möglichkeit, formelle und familiäre Grenzen zwischen uns niederzureißen, um ihren Fuß ein Stück weiter in den Türspalt zu meinem Leben zu schieben. Wie gesagt, ich mochte Diane wirklich als Kumpel , aber mehr konnte es eben nicht sein. Ich wollte sie weder vor den Kopf stoßen, noch ihr die Wahrheit sagen – dafür war der erste Schritt meines Coming-outs noch zu frisch, noch sie als gute Freundin verlieren. Zumindest versuchte meine Mum nicht aus Unwissenheit, mich mit Diane zu verkuppeln, indem sie Diane zum Essen einlud oder ein Treffen zwischen ihr und mir ansprach. Sie hatte die Situation, in der ich mich befand, erkannt und belohnte meine Offenheit ihr gegenüber, indem sie mich in keine unangenehme Lage brachte.
Trotzdem bohrte Diane weiter, was unter anderen Umständen nicht nur normal, sondern süß gewesen wäre. Daher war ich froh, als die Musik leiser wurde und die regen Unterhaltungen der Menschenmassen bei den pfeifenden Rückkopplungen eines Mikrofons zu allgemeinem Gemurmel erstarben. Der Bürgermeister, der dem Ende des Umzugs gefolgt war, sprach ein paar weitere belanglose Worte und kündigte dann meinen Vater an. Grund genug, für uns alle komplett zu verstummen.
Der General betrat die Bühne des Pavillons in seiner strahlenden Ausgehuniform, die Schuhe tadellos auf Hochglanz poliert, die zahlreichen Orden in der
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